Die Frage nach der Existenz Gottes

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Die Frage nach der Existenz Gottes

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Theologoumena · Donnerstag 07 Jan 2021
Glaube, Erkenntnis und Wissen oder die Frage in Kants „Kritik der reinen Vernunft“: Gibt es Gott? Eine Untersuchung der Frage, inwiefern wir Gott erkennen können, im Vergleich zur Frage, inwiefern moralische Gesetze notwendig sind

- Ist es wichtiger nach der Existenz Gottes zu fragen oder ist es wichtiger nach der Praxis der moralischen Gesetze zu fragen? -

Gibt es Gott?
Ist Gott ein direktes Gegenüber?
Ist Gott Person oder ist er quasi „unpersönlich“?
Was wissen wir über Gott?
Ist Gott Teil der Realität?
Können wir Gott erkennen?


Wir werden am Ende dieses Aufsatzes sehen, dass die Frage nach der Existenz Gottes nicht die entscheidende ist. Wir werden sehen, dass entscheidend ist, wie (!) wir alle im Zusammensein mit anderen Menschen und in dieser Welt leben unter (!) der Annahme und dem festen Postulat Gottes.


Doch zunächst zur Frage: Gibt es Gott?


Ein bekannter, berühmter und wichtiger deutscher Theologe, Dietrich Bonhoeffer (1906 - 1945), prägte den Satz:

„Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht!“

Nun, es gibt „etwas“: es gibt Dinge/Gegenstände, Tatsachen bzw. Ereignisse, Erkenntnisse bzw. Erfahrungen, die in der Realität existieren.

René Descartes sprach von „res extensa“. ( = eine ausgedehnte Sache/Ding); ausgedehnte Materie innerhalb einer bestimmten Form.

Unter Tatsachen und Ereignissen verstehen wir in der Regel Dinge, die sich in Vergangenheit, Gegenwart und / oder Zukunft ereignen.

Erkenntnisse und Erfahrungen machen in aller Regel Lebewesen.

Gott scheint keine „res extensa“ innerhalb der Wirklichkeit zu sein.

Ist Gott eine Tatsache oder ein Ereignis?

Tatsachen oder Ereignisse können von Personen erkannt werden.

Kann aber Gott erkannt werden?

Können wir IHN durch

a) hören
b) sehen
c) schmecken
d) ertasten
e) riechen

erfahren?

Hier scheiden sich nun die Geister.

Juden würden an dieser Stelle sagen:

„Wir berufen uns auf die Aussagen unserer Väter und Propheten im Tanach, die ihn erfahren haben.“

Christen würden in etwa sagen:

In Jesus Christus ist Gott Mensch geworden. In ihm können wir Gott erkennen und erfahren.“

Damit erscheint Gott innerhalb der Realität im Judentum über die Erfahrung der Väter und der Propheten über den Tanach bzw. im Christentum über Jesus Christus.

Hierin ist zusätzlich zum Judentum im Christentum ein deutliches Postulat eines Ereignisses bzw. einer Tatsache und einer Erfahrung zu erkennen.

Exkurs:

Was ist Erkenntnis? Was ist Erfahrung?

Erkenntnis ist gleichsam Wissen, das durch Einsicht oder Erfahrung gewonnen wurde. Einsicht bedeutet, dass Eigenschaften, Zusammenhänge und Beziehungen eines Objektbereiches subjektiv hinreichend genau erkannt, geistig erfasst und sachlich richtig begriffen werden. Als Erfahrung bezeichnet man die durch Wahrnehmung und Lernen erworbenen Kenntnisse und Verhaltensweisen oder im Sinne von „Lebenserfahrung“ die Gesamtheit aller Erlebnisse, die eine Person jemals hatte, einschließlich ihrer Verarbeitung.

Was ist Wissen?

Wissen ist durch Lernen gespeicherte Erfahrung in Form einer durch Wahrnehmung und Abgleich mit vorhandenen Mustern verstandenen Information (Daten).

Exkurs Ende.

Während (Mono-) Theisten sich also auf die Erkenntnis und die Erfahrung berufen und als Wahrheit postulieren, dass Gott erkennbar sei, so sage ich als Deist:

„Wir können Gott nicht erkennen!“

Wie ist dieser Satz „Wir können Gott nicht erkennen!“ zu begründen?

Erkenntnis ist Wissen, das durch Erfahrung bzw. durch Einsicht gewonnen wird.

Können wir etwas von Gott wissen oder können wir Gott nur glauben?

Schon das Apostolicum ist ein Credo (Glaubensbekenntnis).

1.) Worin unterscheiden sich Glaube und Wissen?
2.) Wo gibt es Überschneidungen/Schnittmengen von Glaube und Wissen?

Glaube ist etwas Subjektives, das von vielen Menschen bzw. einer Gruppe von Menschen vertreten werden kann. „Glaube ist nicht Wissen“, sagt man im Volksmund. So kann ein Kind beispielsweise subjektiv etwas glauben und dabei durchaus einem Trugschluss unterliegen.

Beispiel: Ein Kind schaut eine Sendung im TV. Das Kind erkennt Personen innerhalb dieser TV-Sendung. Es glaubt, die Personen seien real. Es hat noch nicht das notwendige Wissen.

Auf diese Weise beschreibt Glaube eine innere Annahme, eine Vermutung, eine Anschauung (Theorie). Glaube ist zunächst Theorie.

Glauben können wir im Prinzip „alles“.

Glauben ist gut – Kontrolle ist besser.“ Auch diesen Satz kennt der Volksmund.

Zunächst ist damit gemeint, dass wir uns vergewissern müssen.

Jemanden zu glauben und damit unkritisch dessen Meinung zu übernehmen ist nicht gut. Wir könnten damit absichtlich oder unabsichtlich getäuscht werden oder sogar einen Fehler begehen.

Insofern ist der Abgleich (Kontrolle) mit der Realität oftmals notwendig.

Würden wir alles und jedem glauben, würde es zu keinem neuen Wissen kommen!

Bereits im Wort „vergewissern“ steckt die Wortwurzel von „wissen“.

Wie kommt es im Gegensatz zum Glauben zum Wissen?

Wir nehmen seit unserer Geburt Dinge bewusst optisch wahr. Manche Forscher gehen auch davon aus, dass wir bereits pränatal (also vor unserer Geburt) bereits Dinge im Mutterleib wahrnehmen.

Aber gehen wir ruhig zunächst vom Status der Geburt aus:

Mit Hilfe unserer Sinnesorgane (Augen, Ohren, Nase, Tast- und Geschmacksorgane) nehmen wir die Dinge um uns herum wahr. Wir erkennen die Dinge um uns herum mit unseren Sinnesorganen. Wir beginnen von Kindheit an, die Dinge sukzessive, langsam und mehr und mehr zu verstehen, indem wir durch das Zusammenspiel von

a) Verarbeiten
b) Lernen
c) Erfahrung

unseren subjektiven Glauben mit der Realität abgleichen, falsifizieren, ableiten und damit zu einer wahren und gerechtfertigten Auffassung gelangen. Diese wahre und gerechtfertigte Auffassung nennen wir in aller Regel „Wissen“ (engl. justified true belief).

Diese Entwicklung und diese Bedeutung des Wissens können wir noch sehr gut am altgriechischen Wort für „Wissen“, nämlich 'epistemä', erkennen. 'epistemä' weist auf das Wissen hin, das aus dem Prozess des Glaubens (griech. pisteuo) kommt.

Wissen entwickelt sich also aus dem Glauben.

Auch in dem Wort 'Beweis' erkennen wir das Wort 'Wissen'. Was ist nun ein Beweis? Ein Beweis ist das Ergebnis der Forschung mit Mitteln der Wissenschaft, wodurch etwas für alle Gültigkeit besitzt. Bei einem Beweis muss objektiv entweder A oder B richtig sein. Eine These muss für alle (!) Menschen (!) objektiv nachvollziehbar sein.

Ein Beweis erscheint als die höchste Form des Wissens.

Als Vorstufe eines Beweises kann die 'Erkenntnis' gelten. Erkenntnis ist gleichsam Wissen, das durch Einsicht oder Erfahrung gewonnen wurde. Einsicht bedeutet, dass Eigenschaften, Zusammenhänge und Beziehungen eines Objektbereiches subjektiv hinreichend genau erkannt, geistig erfasst und sachlich richtig begriffen werden. Als Erfahrung bezeichnet man die durch Wahrnehmung und Lernen erworbenen Kenntnisse und Verhaltensweisen oder im Sinne von „Lebenserfahrung“ die Gesamtheit aller Erlebnisse, die eine Person jemals hatte, einschließlich ihrer Verarbeitung.

Worin gibt es nun Überschneidungen von Glaube und Wissen?

Es gab und gibt immer wieder Menschen, die quasi wie Kinder ihren persönlichen und subjektiven Glauben zu einem höchstmöglichen Grad an Gewissheit erheben. Wir geraten dabei schnell in den Glaubensfundamentalismus bis hin zum Fanatismus. Fundamentalismus meint, dass ich von meiner Glaubensansicht keinen Millimeter abweiche. Mein Glaube ist quasi zu einem Fundament geworden, von dem mein gesamtes Weltbild abhängt. Fanatismus meint, dass ich diesen fundamentalen Glauben auch mit aggressiven Gewaltmitteln vertrete und ihn gegen Andersgläubige verteidige oder ihn zu vermehren versuche.

Dennoch ist Wissen immer relativ!

Im Deismus gibt es keinen Gott innerhalb der Realität. Zusammen mit D. Bonhoeffer scheint der Deismus sagen zu wollen: „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.“

Zitat aus Kant, Kritik der reinen Vernunft, Des dritten Hauptstücks, Siebenter Teil, „Kritik aller Theologie aus spekulativen Prinzipien der Vernunft“ (Seite 596):

Wenn ich unter Theologie die Erkenntnis des Urwesens verstehe, so ist sie entweder die aus bloßer Vernunft (theologia rationalis) oder aus Offenbarung (revelata). Die erstere denkt sich nun ihren Gegenstand entweder bloß durch reine Vernunft, vermittelst lauter transzendentaler Begriffe, (ens originarium, realissimum, ens entium) und heißt die transzendentale Theologie, oder durch einen Begriff, den sie aus der Natur (unserer Seele) entlehnt, als die höchste Intelligenz, und müßte die natürliche Theologie heißen. Der, so allein eine transzendentale Theologie einräumt, wird Deist, der, so auch eine natürliche Theologie annimmt, Theist genannt. Der erstere gibt zu, dass wir allenfalls das Dasein eines Urwesens durch bloße Vernunft erkennen können, aber unser Begriff von ihm bloß transzendental sei, nämlich nur als von einem Wesen, das alle Realität hat, die man aber nicht näher bestimmen kann. Der zweite behauptet, die Vernunft sei imstande, den Gegenstand nach der Analogie mit der Natur näher zu bestimmen, nämlich als ein Wesen, das durch Verstand und Freiheit den Urgrund aller anderen Dinge in sich enthalte. Jener stellt sich also unter demselben bloß eine Weltursache, […], dieser einen Welturheber vor.

Die transzendentale Theologie ist entweder diejenige, welche das Dasein des Urwesens von einer Erfahrung überhaupt (ohne über die Welt, wozu sie gehört etwas näher zu bestimmen,) abzuleiten gedenkt, und heißt Kosmotheologie, oder glaubt durch bloße Begriffe, ohne Beihilfe der mindesten Erfahrung, sein Dasein zu erkennen, und wird Ontotheologie genannt.“

Zitat Ende.

Kant sagt damit:

Eine Person kann Gott innerhalb der Realität nicht erkennen. Sie kann sein Dasein aber durch Zuordnung von Begriffen erkennen. (Deismus = transzendentale Theologie der Vernunft als Kosmotheologie oder als Ontotheologie: Gott ist... Weltursache. Gott ist … ). Personen, die so denken, nennt Kant „Deisten“.

Personen, die behaupten, Gott auf natürliche Weise erkennen zu können, nennt Kant Theisten.

Es ist zu konstatieren, dass für Kant das Vorhandensein von moralischen Gesetzen ein klares Postulat des Daseins Gottes ist.

Kant kombiniert bzw. unterscheidet Deismus, Theismus und ein Postulat Gottes aus moralischen Gründen und kommt zu folgendem Ergebnis (Zitat aus Seite 597/598):

Da man unter dem Begriffe von Gott nicht etwa bloß eine blindwirkende ewige Natur, als die Wurzel der Dinge, sondern ein höchstes Wesen, das durch Verstand und Freiheit der Urheber der Dinge sein soll, zu verstehen gewohnt ist, und auch dieser Begriff allein uns interessiert, so könnte man, nach der Strenge, dem Deisten allen Glauben an Gott absprechen, und ihm lediglich die Behauptung eines Urwesens, oder obersten Ursache übrig lassen. Indessen, da niemand darum, weil er etwas sich nicht zu behaupten getraut, beschuldigt werden darf, er wolle es gar leugnen, so ist es gelinder und billiger, zu sagen: der Deist glaube einen Gott, der Theist aber einen lebendigen Gott (summam intelligentiam). Jetzt wollen wir die möglichen Quellen aller dieser Versuche der Vernunft aufsuchen.

Ich begnüge mich hier, die theoretische Erkenntnis durch eine solche zu erklären, wodurch ich erkenne, was da ist, die praktische aber, dadurch ich mir vorstelle, was da sein soll. Diesem nach ist der theoretische Gebrauch der Vernunft derjenige, durch den ich a priori (als notwendig) erkenne, daß etwas sei; der praktische aber, durch den a priori erkannt wird, was geschehen solle. Wenn nun entweder, daß etwas sei oder geschehen solle, ungezweifelt gewiß, aber doch nur bedingt ist: so kann doch entweder eine gewisse bestimmte Bedingung dazu schlechthin notwendig sein, oder sie kann nur als beliebig und zufällig vorausgesetzt werden. Im ersteren Falle wird die Bedingung postuliert (per thesin), im zweiten supponiert (per hypothesin). Da es praktische Gesetze gibt, die schlechthin notwendig sind (die moralischen), so muß, wenn diese irgendein Dasein, als die Bedingung der Möglichkeit ihrer verbindenden Kraft, notwendig voraussetzen, dieses Dasein postuliert werden, darum, weil das Bedingte, von welchem der Schluss auf diese bestimmte Bedingung geht, selbst a priori als schlechterdings notwendig erkannt wird. Wir werden künftig von den moralischen Gesetzen zeigen, daß sie das Dasein eines höchsten Wesens nicht bloß voraussetzen, sondern auch, da sie in anderweitiger Betrachtung schlechterdings notwendig sind, es mit Recht, aber freilich nur praktisch, postulieren; […].“

Zitat Ende.

Kant sagt damit, dass es ja schön und gut sei, quasi durch theoretische Erkenntnis zu untersuchen, ob es ein Urwesen („Gott“) gibt. Kant sagt jedoch, es sei noch wichtiger, sich um die praktischen Gesetze zu sorgen und zu kümmern.

Entscheidend war für Kant der Aspekt der moralischen Gesetze, der auf das Dasein Gottes schließen lasse.

Kants Forderung, Gott aus moralischen Gründen zu postulieren, entspricht damit meiner Auffassung von Wahrheit:

Wahrheit ist letzten Endes in und bei Gott zu finden und dient der Vervollkommnung der Lebensrealität unter positiven Aspekten für die Zukunft.“

Unabhängig von der Beurteilung der Frage, ob Kant nun Deist oder Theist war, schließe ich mit folgenden Aussagen:

Wir können Gott innerhalb und mit Mitteln der Realität nicht erkennen.

Wir haben keinerlei gefestigtes Wissen über Gott. – allenfalls können wir vom Glauben reden. Glauben können wir im Prinzip alles. Es geht jedoch um Kontrolle dieses Glaubens im Sinne eines Abgleichens mit „Wissen“.

Ich betrachte es für angemessen, in Gott eine erste Ursache aller Dinge zu erkennen.

Ich stimme mit Kant darin überein, aus moralischen Gründen notwendigerweise zu postulieren, dass in Gott die Wahrheit erkennbar ist, die zur Vervollkommnung der Lebensrealität dient.

Egal, ob Glaube, Erkenntnis und/oder Wissen, die Liebe scheint das Entscheidende zu sein (vgl. Bibel, Neues Testament, 1. Korintherbrief Kapitel 13 Vers 13).

Wie wahr - wie wahr...

Rainer Langlitz


Anmerkung:

Die obigen Zitate aus Kants Werk „Kritik der reinen Vernunft“ stammen aus der ersten und zweiten Original-Ausgabe, herausgegeben von Raymund Schmidt, Felix Meiner Verlag, Hamburg 1993.
                                                                                                                                                                            


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