Von der Positivität der Liebe und des Eros oder die Frage: Was sollten wir in unserem Leben vermehren?

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Von der Positivität der Liebe und des Eros oder die Frage: Was sollten wir in unserem Leben vermehren?

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Essays · Samstag 18 Feb 2023
Von der Positivität der Liebe und des Eros oder die Frage: Was sollten wir in unserem Leben vermehren?

Die Welt des 21. Jahrhunderts zeigt sich äußert komplex und kompliziert. Die Weltbevölkerung nähert sich zunehmend der 8 Milliarden Grenze, was an sich schon Probleme mit sich bringt, nämlich Grundbedürfnisse zu stillen wie Bedürfnisse nach Nahrung, Kleidung und Wohnung. Einer der Grundgedanken von uns Menschen ist: „Ich habe zu wenig!“: zu wenig Zeit, zu wenig Gesundheit, zu wenig Geld, zu wenig zu Essen (um nur einige Mängel zu nennen). Dieser Gedanke des Mangels („Ich habe zu wenig an …“) verursacht aus einer negativen Bewertung heraus ein bestimmtes Gefühl, nämlich Angst: Angst vor Krankheit, Angst vor dem frühzeitigen Tod im Extremfall. Die daraus resultierende Reaktion ist das Streben nach Sicherheit, die vor allem im Geld und damit im Materiellen gesehen wird. Um Geld zu erlangen zur Steigerung der Sicherheit, hat sich der Mensch verschiedene Strategien ausgedacht: Ausbeutung, kriegerische Handlungen, Betrug, um nur diese drei zu nennen. Alles in allem herrscht in uns Menschen ein egomanischer Zustand, der von Angst und dem Streben nach Sicherheit geprägt ist.

Leider zieht sich dieses beschriebene Grundmuster durch die gesamte Menschheitsgeschichte hindurch, von der Steinzeit an über die Antike und das Mittelalter bis in die Gegenwart:

  • Grundgedanke: Es herrscht Mangel.
  • Grundgefühl: Angst.
  • Grundhandlung: Versuche der Beseitigung des Mangels durch materielles Horten.
  • Grundzustand: Egomanische(r) Selbsterhaltung(strieb) verbunden mit Machtstreben.

Nun im 21. Jahrhundert jagt eine Krise die andere. Diese Krisen sind meistens systembedingt: Das System selbst, in dem wir Menschen leben, bedingt jene Krisen. Angesichts des Auftauchens des Mangels ist der Kommunismus in die Welt gekommen, um mit dem Mangel zurechtzukommen. Es ging um Planung und um den Gedanken, dass der Mensch in seinen Grundbedürfnissen befriedigt werden soll: Ernährung, Wohnung, Kleidung verbunden mit einigen bestimmten sozialen Bedürfnissen wie Arbeit und Mobilität. Der Kapitalismus hingegen versucht grundsätzlich mit dem Mangel so umzugehen, Geld und andere materielle Dinge als Sicherheit bis ins Extreme anzuhäufen. Beide Systeme sind falsch und nicht praktikabel.

Der Hunger nach „Mehr“ und der damit verbundene Gedanke des Mangels, der befriedigt werden soll, erscheinen insofern als Ursache von allen von Menschen verursachten Übeln.

Dieser Mangel ist nicht wegdiskutierbar. Er ist naturgegebener Bestandteil dieser Welt. Daraus resultiert das Sparen, was wir auch stark in dieser gegenwärtigen Zeit zu spüren bekommen: wir werden aufgefordert, Energie zu sparen. Wir müssen mit unserem Geld haushalten. Auch unsere Lebenszeit weist einen Mangel auf: wir leben nicht ewig auf diesem Planeten (was an dieser Stelle aber auch positiv zu sein scheint, denn alles andere wäre vergleichbar mit einer Strafauferlegung à la „Sisyphos-Strafe“).

Einige kluge Menschen sind der Auffassung, dass sich unser System dahin gehend verändern wird, dass uns Menschen zukünftig nur noch ein wie auch immer geartetes Grundeinkommen zur Verfügung stehen wird, das dann auch noch durch die Abschaffung des Bargelds durch eine digitale Währung gedeckelt („begrenzt“) sein wird.

Wir müssen einen Weg finden, mit jenem „Mangel“ in der Welt umzugehen, denn aus dem Mangel resultieren Angst, Geld- und Machtstreben und infolgedessen ein Zustand der Egomanie.

Wie bereits angedeutet, ist im Hinblick auf einen Umgang mit dem Mangel weder der „westliche“ Weg des Kapitalismus noch der „östliche“ des Kommunismus gut.

Schon Sigmund Freud meinte mit dem Begriff des „Selbsterhaltungstriebes“ eine Methode des Umgangs von uns Menschen mit jenem Mangel herausgefunden zu haben. Dabei geht es einerseits um den Fortbestand eines Systems, andererseits auch um den Fortbestand („Weiterleben“) eines einzelnen Menschen, denn im Grunde haben wir alle (!) im unbewussten Sinne große Angst vor dem Sterben und dem Tod. Die meisten Gedanken der Religionen basieren neben ethischen Aspekten auf diesem Gefühl der Angst vor dem Tod. Doch was sind dabei die konkreten Dinge, die uns dabei bei dem Gedanken an den Tod Angst bereiten? Leiden, Sterben und der Tod gehören zur menschlichen Existenz. Wir leiden sehr über den Tod eines geliebten Menschen, wenn er uns nahe stand oder wenn wir ihm ein längeres Leben gewünscht hätten. Trauer um einen verstorbenen Menschen scheint mir sehr wichtig: Zum einen, weil wir durch unsere Trauer zum Ausdruck bringen, dass wir den Verstorbenen geliebt haben, dass er uns wichtig war und sein Tod uns nicht egal ist. Zum anderen erscheint mir Trauer über den Tod aber auch wichtig, weil wir dadurch dem Leben an sich einen hohen Wert geben, weil wir dankbar sein dürfen für unser eigenes Leben, das uns geschenkt wurde und das es zu leben gilt an jedem Tag und in jeder Stunde. Tod und Sterben sind oft ein Tabu, weil das Reden darüber vielfach mit Angst verbunden ist. Krankheit und Tod sind immer der Kampf um die Annahme unserer Begrenztheit. Es kann leicht passieren, dass wir zu sehr an unserem eigenen Leben klammern und wir uns gar nicht mehr vorstellen können, einmal sterben zu müssen.

Es stellt sich die Frage, was uns Menschen Angst macht, über den Tod zu reden, schlimmen Krankheiten und sogar dem Tod ins Auge zu blicken und gedanklich die Schwelle des Todes zu überschreiten. Zunächst kann diese Frage ganz einfach beantwortet werden: wir haben nur dieses eine Leben. Konkret ist es aber zum einen die Angst vor schlimmen Schmerzen, denn Schmerzen sind sehr quälend, manche kaum auszuhalten, vor allem bei einem Krebsleiden im Endstadium, wo vielleicht nur noch Morphium hilft. Zum anderen lässt sich die Frage sicherlich auch mit der Angst vor dem Alleinsein erklären - die Angst, alleine sterben zu müssen, ohne dass jemand am Sterbebett bei mir ist. Auch das Angewiesen-Sein auf soziale und pflegerische Hilfe spielt hier sicherlich eine Rolle. Der dritte Punkt, der uns Angst macht, wenn wir an Leiden, Krankheit und Tod denken, ist unsere Sorge, wir könnten vieles verpassen, wenn wir zu früh sterben. Gerade junge Menschen haben ihr Leben noch vor sich, sie wollen am Leben teilhaben und es genießen. Aber auch ältere Menschen wollen noch Vieles erleben. Vielleicht möchten sie gerne noch Enkel sehen, vielleicht die Goldene Hochzeit erleben oder noch eine Weltreise machen. Auch die Angst vor dem Verlust der Kontrolle über das Leben gehört dazu, der Verlust der Freiheit, über unser Leben so entscheiden zu können, wie wir es für richtig erachten. Wir dürfen aber auch nicht unsere Angst vergessen, dass wir nicht wissen, was nach dem Tod kommen wird. Gerade diese Frage hat die Menschen im Mittelalter schwer belastet und große Angst bereitet: nämlich die Angst vor der Hölle. Heutzutage bewegt viele Menschen eher die folgende Frage: Gibt es ein Leben nach dem Tod oder nicht? Und wenn ja, in welcher Form? Werde ich wiedergeboren als armer Bettler oder als Schnecke oder kommt nach dem Tod das absolute Nichts? Viele dieser Ängste schützen uns und haben uns Ideen entwickeln lassen. Es gibt die Pflegeversicherung, die zumindest unsere Sorge um die finanzielle Seite des Altwerdens kleiner werden lässt. Auch die Medizin, die Suche nach einem Heilmittel für Krankheiten, ist letztlich das Resultat unserer Angst vor Krankheit und Tod.

Wenn wir also schon das Faktum des Mangels und des Todes nicht beseitigen können, so müssen wir wenigstens versuchen, mit der daraus resultierenden Angst vor dem Tod umzugehen. Aber es setzt schon vorher ein anderer guter Mechanismus, der in uns Menschen verankert ist, ein: der Mechanismus des Mitgefühls. Menschen, die Mitgefühl zeigen und sich in Krisenzeiten anderen notleidenden Menschen zuwenden, haben möglicherweise erkannt, dass sich Menschen in einem egomanischen Zustand befinden können, wenn sie nur an ihr eigenes Leben und dessen Erhalt denken. Menschen, die sich in Gebiete begeben, wo es beispielsweise Erdbeben gegeben hat, um anderen Menschen zu helfen, zeigen Mitgefühl und riskieren oftmals ihr eigenes Leben. Diese helfenden Menschen sind wie lebende und sichtbare Engel.

Aber es sind bei weitem nicht alle Menschen solche lebenden Engel. Vielmehr bewegen sich in dieser Welt auch dunkle Menschen, die aus jenem Mangel heraus zwar auch in einem Angstbewusstsein leben, die jedoch dazu übergehen, diese Angst kontraphobisch durch Macht zu kompensieren. Diese Menschen sehen ihr Lebensmotto und den Sinn ihres Lebens in einer Veränderung der Dinge, wodurch sie dann lebenssatt aus diesem Leben scheiden können. Auch bei diesen machtorientierten Menschen geht es also um einen Umgang mit dem Tod. Vielfach sind jene machtorientierten Menschen nicht religiös, sondern politisch engagiert.

Was bleibt?

Sollten wir uns religiös ausrichten im Hinblick auf den Umgang mit dem Tod?

Sollten wir einen quasi „natürlichen“ Umgang mit dem Tod pflegen?

Geht es darum, mit dem Tod umzugehen, indem wir möglichst ein langes Leben führen?

Geht es um eine gewisse Frage der wirtschaftlichen und ethischen Gerechtigkeit?

Alles in allem wäre es gut, dieser Angst etwas Positives entgegenzusetzen: Liebe (und auch Sex!).

Und so übersetze ich jenen bekannten lateinischen Vers ubi caritas et amor deus ibi est bewusst so:
Wo Liebe und Eros sind, da ist Gott zu finden.

In diesem Bewusstsein lässt sich auch folgende Frage gut beantworten, nämlich die Frage:

Was sollte man eigentlich vermehren im Leben als Gegenmuster zum Mangel?

a) das Materielle (hier: Geld und infolgedessen Macht)?

b) das Ideelle (hier: Liebe und infolgedessen auch (!) Sex)?

Wenn wir die Liebe vermehren, tragen wir einen wesentlichen Beitrag zur Veränderung der Verhältnisse in der Welt bei und können sogar einen Vorgeschmack auf Gott genießen, wenn wir den Satz ubi caritas et amor deus ibi est so verstehen könnten wie ich.

Rainer Langlitz


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