Taizé: Unstimmigkeit als pars pro toto

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Taizé: Unstimmigkeit als pars pro toto

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Essays · Donnerstag 03 Sep 2020

Taizé: Unstimmigkeit als pars pro toto

- ... etwas stimmt in der Kirche nicht! -

Am 03. September 2020 schrieb ich, Rainer Langlitz, an die ökumenische Gemeinschaft von Taizé:



"Liebe Brüder der ökumenischen Gemeinschaft von Taizé,

 
mein Name ist Rainer Langlitz, geb. 1974. Ich wohne in Deutschland.

 
Taizé ist mir in gewisser Weise wichtig: Taizé ist Teil meiner Biographie. Ich habe schon mehrfach von Taizé geträumt und war bisher ca. 5 x in Taizé. Ich war zum ersten Mal in Taizé 1993 und sprach auch persönlich mit fr. Alois.

 
2005 wurde fr. Roger, der Gründer von Taizé, von einer psychotischen Frau ermordet.

 
Mittlerweile ist fr. Alois Prior der Gemeinschaft von Taizé.

 
Ich habe Taizé in Erinnerung als Ort großer Spiritualität. Jeder Besuch in Taizé hinterließ in mir den Eindruck: „Hier ist so etwas wie das Reich Gottes auf Erden“, um es einmal pathetisch zu formulieren.

 
Sie alle haben die Entscheidung getroffen, in einer Gemeinschaft mit Ehelosigkeit unter Keuschheit zu leben.

 
Ich habe mir gerade eben die Aufzeichnung des samstäglichen Taizé-Abendgebetes vom 29. August 2020 angehört.

 
Ich möchte dazu gerne ein Feedback geben.

Außerdem hätte ich noch drei weitere Fragen an Sie.

 
Doch zunächst zum Feedback:

 
Sehr schön in Bezug auf das Taizé-Abendgebet vom 29. August 2020 war wieder die Situation im Vorfeld des Abendgebetes: das Versammeln mit dem zum Gebet einladenden Glockengeläut.
 
 
Freude – Einfachheit – Barmherzigkeit: Begriffe, die man von Taizé kennt.

Oder sollte man besser sagen „…kannte“?

 
Barmherzigkeit? Ja! Das ist auf jeden Fall weiterhin Teil von Taizé meinem Eindruck nach. Man hat darüber hinaus jedoch fast mehr den Eindruck, in Taizé herrsche Demut, Ehrfurcht und Gebeugt-Sein!

 
Einfachheit? Ja und Nein! Da bin ich mir mittlerweile schon nicht mehr sicher. Taizé wird immer technischer. Dass Taizé m. E. schon lange nicht mehr vom Geist der Einfachheit geleitet wird, erkenne ich daran, dass die vielzähligen Besucherströme, die Jahr für Jahr nach Taizé gekommen sind und bis hin zum Beginn der Corona-Pandemie immer noch gekommen waren, natürlich medienwirksam unterhalten werden sollen. Mir kommt es so vor, dass sich Taizé immer mehr zu einer medien-technischen Pilgerattraktion im negativen Sinne entwickelt hat.

 
Freude? Hmmm… Was erlebte ich nun, als ich mir das Abendgebet von Taizé vom 29. August 2020 anhörte und ansah? Ich erlebte einen Solo-Sänger, der das „Rendez Grace au Seigneur“ eingangs anstimmte, mit sehr unsicherer, brüchiger Stimme. Diese Stimme lässt aus meiner Sicht auf eine depressive innere Stimmung schließen.

 
Insofern: Wo ist in diesem Abendgebet – und so kenne ich es noch von früher – die Freude über die „Auferweckung“, die in diesem samstäglichen Abendgebet ja gefeiert werden soll?

 
Mit anderen Worten: ich erlebe derzeit eine Depression in Taizé – zumindest im Abendgebet vom 29. August 2020.

 
Natürlich erleben wir in der Welt nicht ausschließlich nur Freude, Glück und Harmonie.

 
Aber gibt es nicht vielmehr Gründe, warum wir glücklich und freudig sein könnten?

 
Nun hatte ich ja bereits zur Kenntnis nehmen müssen, dass auch Taizé nicht von dem Skandal sexueller Gewalt verschont geblieben war, was ja bereits bedauert wurde.

 
Insofern komme ich nun zu meinen Anfragen an Sie alle.

 
Auch ich hatte lange lange lange Zeit den Plan und die Absicht, Mönch - Bruder einer Gemeinschaft - zu werden.

 
Seit 2012 bereits habe ich von diesem Plan zu 100 % Abstand genommen.

 
Ich weiß, dass ich schwul / gay bin. Ich lebe meine Sexualität auch, und ich bin damit auch sehr glücklich.
 
Nun zu meinen Fragen:

 
1.) Woher kommt Ihrer Meinung nach diese depressive Stimmung, die ich derzeitig in Taizé exemplarisch (möglicherweise als pars pro toto innerhalb der Kirche) anhand jenes Abendgebetes vom 29. August 2020 erkannt habe?

 
2.) Sind Sie wirklich alle der theologischen Auffassung, dass Gebete

 
a) Gott zum Handeln und zum Eingreifen in diese Welt bewegen könnten?
 
b) realiter Zustände in unserer Welt verändern könnten?
 
c) in dieser Häufigkeit und in dieser technischen Gestaltung notwendig sind?
 
 
Ich bin nicht mehr Theist, sondern bezeichne mich als Deist im Sinne der Aufklärung. Ich glaube von daher nicht an „Offenbarung Gottes in Jesus (Christus)“. Ich glaube auch nicht mehr an übernatürliche Dinge im Sinne des Supranaturalismus wie Jungfrauengeburt, Wunder, Auferstehung, Himmelfahrt und dergleichen.

 
3.) Ich entschuldige mich bereits jetzt für diese Frage. Aber es ist mir ein großes Anliegen, Sie mit dieser Frage zu konfrontieren:
 
Sind Sie sich sicher, dass Ihr Eintritt in die klösterliche Gemeinschaft von Taizé – man könnte es aber auch auf das Klosterleben allgemein beziehen – keine (!) Weltflucht und keine (!) Verdrängung Ihrer sexuellen Bedürfnisse darstellt? Bitte verstehen Sie diese Frage nicht (!) anklagend, sondern fürsorglich. Ich mache mir wirklich Gedanken um Sie – fast bin ich besorgt über Sie. Wir wissen ja mittlerweile, wie hoch der Anteil der homosexuellen Priester besonders in der röm.-kath. Kirche ist. All diese Zusammenhänge wurden ja mittlerweile gut bis sehr gut aufgearbeitet, aufgedeckt und aufgelistet. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: ich möchte nicht sagen, dass alle kath. Priester schwul sind bzw. möchte Sie nicht in die Nähe der Aussage bringen, auch Sie könnten schwul sein. Aber die Möglichkeit, ein ganzes Leben lang keusch zu leben, erscheint mir mehr oder weniger unmöglich! Es gibt mittlerweile viele Fakten (und nebenbei gesagt auch etwas abfällige Witze über das Sexleben im Kloster) darüber, dass kath. Kleriker bzw. Mönche, die das Gelübde der Keuschheit „abgelegt“ haben, alles andere als keusch leben. Was Verdrängung anrichtet, wissen wir ja spätestens seit Sigmund Freud. Ich jedenfalls spüre regelrecht die Unsicherheit und Scham bei den meisten Mönchen / Brüdern und einem Großteil der Kleriker, wenn es um das Thema der Sexualität geht. Hier ist etwas deutlich (!) unstimmig. Diese Unstimmigkeit wirkt sich m. E. aus, was ich analytisch beim Singen und Sprechen als kommunikatives Verhalten bei jenen Menschen erkenne – so auch im o. g. Introitus des Eingangsgesangs (Rendez Grace au Seigneur) und auch weiterhin während des gesamten Abendgebetes in Taizé vom 29. August 2020. Ich bedaure, dies sagen zu müssen. Ich fühle mich jedoch genötigt, Sie damit zu konfrontieren.
 
Das Leben ist einmalig. Ob es ein Leben nach unserem Tod gibt, wird sich zeigen. Wir können im Glauben an ein Leben nach dem Tod leben und uns danach ausrichten.

 
Wie viel Freude nun tatsächlich noch von den „Hoch“zeiten, die Taizé erleben durfte, übriggeblieben ist, weiß ich nicht. Jedenfalls hat mich die Stimmung innerhalb des Abendgebetes vom 29. August 2020 in der Kirche von Taizé dazu veranlasst, Ihnen zu schreiben. Es tut mir fast weh, wenn ich diese depressive Stimmung mitansehe/mitanhöre. Bitte entschuldigen Sie meine Ehrlichkeit bzw. meine Direktheit. Es berührt mich. Es lässt mich mitleiden. Ihr Verhalten führt zum Mitleiden. Es tut mir leid und weh zuzuschauen und zuzuhören.

 
Sie müssen mir auch nicht auf meine Mitteilung antworten, wenn es Ihnen unangenehm ist.

 
Ich hoffe auch, dass mein Schreiben an Sie nicht zu einer Beleidigung bei Ihnen führt, was eine nochmalige Depression auslösen könnte.

 
Wichtig war mir schlicht und ergreifend, Ihnen dieses Feedback zu geben in der Hoffnung, dass es zu einer inneren Reflektion kommt, denn aus meiner Sicht ist der Sinn des Lebens nicht (!), traurig, gebeugt und depressiv zu sein.

 
Fassen wir zusammen:

 
1.) Ich schaue immer wieder mal auf die Website von Taizé.
 
2.) Spätestens heute sind mir Unstimmigkeiten bewusst geworden, die in Taizé vorliegen.
 
3.) Es ist Ausdruck meiner Sympathie, dass ich Ihnen dieses Feedback habe zukommen lassen.
 
4.) Ich erwarte nicht zwingend eine Antwort auf mein Feedback an Sie. Vielmehr denke ich, dass mein Feedback etwas bewegen wird, ohne dass ich etwas davon erfahren werde.

 
Mit freundlichen Grüßen

 
Rainer Langlitz"


Ja...aus meiner Sicht ist es so:

Es stimmt etwas in der Kirche nicht!

Es ist längst bekannt, dass "etwas" in der Kirche nicht stimmig ist - nicht stimmt!


Rainer Langlitz
 
 
 


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1 Rezension
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Ingo Carla Steins
Mittwoch 11 Okt 2023
Auf eine Antwort wäre ich sehr gespannt. Danke für die Nachfrage
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