Sterben ins Nichts?

Direkt zum Seiteninhalt

Sterben ins Nichts?

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Essays · Dienstag 25 Aug 2020

Sterben ins Nichts?

- Eine Meditation über Tod und Sterben -


Es ist kein Geheimnis, dass wir einmal sterben müssen.

Trotzdem ist es oftmals ein Tabu, das Sterben und den Tod ins Gespräch zu bringen.

Es ist uns unangenehm, Sterben und Tod zu thematisieren.

Doch früher oder später „trifft“ es jede(n) von uns, gehen wir unter die Erde, werden wir beerdigt, gehen wir zur Erde zurück.

Tabus - also das, worüber die Gesellschaft nicht gerne spricht, müssen enttabuisiert werden!

Sterben wir ins "Nichts" oder gibt es etwas nach dem Tod?

In der Hebräischen Bibel (Erstes bzw. Altes Testament) werden „Mensch“ (hebr. Adam) und „Erde“ (hebr. Adamah) in einem direkten Zusammenhang gedacht (vgl. dazu 1. Mose 3,19).

Erde zählt in der „Vier-Elemente-Lehre“ zu einem der vier Elemente neben Wasser, Luft und Feuer.

Nach der Vier-Elemente-Lehre besteht alles Sein in bestimmten Mischungsverhältnissen aus diesen vier Grundelementen: Wasser, Feuer, Luft und Erde.

Auch die zwölf bekannten Sternzeichen werden diesen vier Elementen u. a. zugeordnet:

Das Sternzeichen „Schütze“ beispielsweise zählt zum Element Feuer.

Interessant in diesem Zusammenhang finde ich, dass es genau diese Formen der Bestattung analog zu jenen vier Elementen gibt:

Manche Menschen lassen ihre "Asche" nach deren Tod ins Wasser bzw. ins Meer zurückkehren („Seebestattung“). Auch die Begriffe der Feuerbestattung („Verbrennen des Leichnams“) bzw. der Luftbestattung sind geläufig. Luftbestattung meint einerseits die Bestattung einer Leiche hoch über dem Erdboden und bezeichnet andererseits auch das Verstreuen der Asche eines Verstorbenen aus einem Luftfahrzeug.

Warum ist es uns nun unangenehm über Sterben und Tod zu sprechen? Was sind die Gründe dafür?

Einerseits gehört das Sterben und der Tod zu uns Menschen wie das tägliche Atmen und Essen. Oftmals haben wir auch keine Skrupel, eine Fliege tot zu schlagen. Noch schlimmer wird es gar, wenn man daran denkt, einen Menschen zu ermorden. Aber es gibt solche skrupellose Menschen – wollen wir mal gar nicht darüber reden, wie viele Menschen bereits durch Kriege, Massenvernichtungswaffen, den Holocaust bzw. Völkermord ihr Leben verloren haben.

Man kann nur mit dem Kopf schütteln und sich fragen: Wie ist dies denkbar? Wozu ist der Mensch in der Lage?

Doch schauen wir auch, wie wir mit Tieren umgehen: Wie viel Tiere wandern Tag für Tag, Stunde für Stunde in die Schlachthöfe, damit wir leben und uns ernähren?

Sind wir schlecht, wenn wir schlächten bzw. wenn wir Schlächter sind bzw. wenn wir Fleisch essen?

Doch auch in der Natur geschieht tagtäglich Tod: Tiere fressen sich gegenseitig. Auch Tiere töten.

Es scheint ein Gesetz der Natur zu sein.

Mit anderen Worten: Überall, wo wir hinschauen, sterben Tiere und Menschen, werden Tiere geschlachtet, Menschen ermordet. Die Nachrichten sind ja voll von solchen Meldungen: wieviele Menschenleben hat jenes Erdbeben wieder gekostet? Wo ist wieder eine Bombe explodiert, die Menschen mit in den Tod gerissen hat? Wo ist wieder mal in Afrika eine Hungersnot ausgebrochen, die Menschen bis zum Tod leiden lässt? Auch hier sind die Meldungen unzählig. Dennoch schauen wir zu. In Filmen ergötzen sich Menschen daran, wie Krieg, Mord und andere Formen des Sterbens und des Todes dargestellt werden. Wir schauen zu, konsumieren den Tod und essen manchmal noch gemütlich Abendbrot oder Chips beim Zusehen im Fernsehen.

Sind wir abgehärtet, immun und emotionslos dem Sterben und dem Tod gegenüber geworden?

„ ... zu früh aus dem Leben gerissen. Wir sind sehr traurig.“, so lesen wir manchmal in Traueranzeigen.

Fällt es uns leichter zu sterben, wenn wir 70, 80 oder 90 Jahre geworden sind?

Also:

Einerseits ist Sterben und Tod ubiquitär, andererseits herrscht über das Sterben ein Tabu.

                                               
      • Es geht um leidvolle persönliche Schmerzen beim Sterben.
      • Es geht um das Verschließen der Augen für immer – ohne Aufwachen am nächsten Morgen.
      • Es geht um die Frage: gibt es ein „Danach“ - ein Leben nach dem Tod? Was erwartet mich nach meinem Tod?
      • Es geht um das Abschied-Nehmen von lieben Menschen: Angehörige in Form von Freunden, Verwandten und Bekannten.
   
Es gibt den Begriff des Märtyrers, der mit seinem Tod „Zeuge“ für etwas sein möchte. Die christlichen Märtyrer gingen mehr oder weniger freiwillig in den Tod in dem Bewusstsein, dass Jesus Christus der HERR ist und vom Tod auferstanden ist.
Islamistische Fanatiker banden sich Bomben an ihren Gürtel, um Terroranschläge zu verüben in dem Bewusstsein, dass sie damit etwas Gutes für ihre Religion tun und in dem Bewusstsein, dass sie damit umgehend und unmittelbar „ins Paradies“ aufgenommen werden.  
Hier herrscht eine Paradoxie:
die einen mit Angst – die anderen mit positiver Erwartung.
Mit anderen Worten: auch hier bestimmt unser Denken unser Gefühl, und das Gefühl bestimmt in Folge dessen unser Denken.
Wir müssen uns mit dem Tod und mit unserem Sterben auseinandersetzen. Wir müssen dieses Faktum akzeptieren. Wir müssen uns diesem Ereignis stellen und dürfen Sterben und Tod nicht tabuisieren.
Martin Luther schrieb 1519 einen „Sermon von der Bereitung zum Sterben“.
Die Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross (1926 – 2004) befasste sich mit dem Tod und dem Umgang mit Sterbenden, mit Trauer und Trauerarbeit sowie mit Nahtoderfahrungen und ist einer der Begründer der modernen Sterbeforschung.
Zitat aus Wikipedia, Art. „Elisabeth Kübler-Ross“, Aufruf vom 25.08.2020:
„Kern ihres Buches On Death and Dying ist ein Phasenmodell, mit dem sie das Erleben und Verhalten Sterbender beschreibt. Kübler-Ross befasst sich im ersten Kapitel ausführlich mit Sterbenden (The Dying Patient) und der Darstellung von fünf Phasen des Sterbens mit jeweiligen Fallbeispielen. Es folgen Kapitel zu den Themen Kommunikation, Formen des Sterbens, Verhaltensweisen gegenüber Tod und Sterben sowie Kapitel über die Familie Kranker, Interviews mit Kranken im Endstadium und die psychische Behandlung Kranker im Endstadium. Danach widmet sie ein eigenes Kapitel den Themen Humor und Angst, Glaube und Hoffnung (Humor and Fear, Faith and Hope), die in allen Phasen eine Rolle spielen. Die englische Ausgabe schließt mit einem umfangreichen Literaturverzeichnis, in dem Fachliteratur ihrer Zeit zu Sterben und Tod zusammengestellt ist. In der deutschen Ausgabe fehlen sowohl das Literaturverzeichnis als auch die Danksagung.  
Der Sterbeprozess beginnt mit der Aufklärung über die tödliche Erkrankung durch den Arzt. Auf die Nachricht, unheilbar erkrankt zu sein, reagieren Kranke stufenweise. Kübler-Ross definierte fünf Phasen des Sterbeprozesses. Sie verstand diese Phasen ursprünglich als Reaktion auf jede Art von Verlust (z. B. Arbeitsplatz oder auch Freiheit), von Trauer und Leiden. Es werden keine Phasen des körperlichen Sterbens beschrieben, sondern die geistige Verarbeitung des Abschieds vom Leben bei Menschen, die bewusst massive gesundheitliche Verschlechterungen erleiden bzw. mit einer infausten Diagnose und Prognose konfrontiert worden sind. Diese Phasen sind mitunter auch bei den Angehörigen zu beobachten. Es handelt sich um unbewusste Strategien zur Bewältigung extrem schwieriger Situationen, welche nebeneinander vorhanden sein und verschieden lang andauern können. Es gibt keine festgelegte Reihenfolge und keinen Ausschluss der Wiederholung einzelner Phasen nach deren erstmaliger Bewältigung. Es können einzelne Phasen ganz ausbleiben.“
Zitat Ende.

Elisabeth Kübler-Ross diagnostizierte in ihrer Forschungsarbeit fünf Phasen des Sterbens:

Nicht-wahrhaben-wollen.
Zorn.
Verhandeln.
Depression.
Akzeptanz.

Vgl. dazu auch folgende Links:

https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/tod_und_trauer/sterben/pwiediefuenfsterbephasen100.html

https://www.apotheken.de/krankheiten/hintergrundwissen/10471-die-fuenf-phasen-des-sterbens

https://www.betanet.de/sterbephasen-nach-kuebler-ross.html

Derzeit ist in der westlichen Gesellschaft der Begriff der „Sterbehilfe“ im Gespräch: Darf einem unheilbar kranken Menschen, der kurz vor dem Sterben ist, dabei „geholfen“ werden, vorzeitig zu sterben durch Gabe eines Mittels, das der Sterbende allerdings selbst einnehmen muss?  

Die Kirche geht dabei in aller Regel auf die Barrikaden und stellt sich gegen die Sterbehilfe. Das Sterben gehöre zum Leben dazu – Hospize als Einrichtung der Sterbebegleitung seien das Mittel der Wahl für ein würdevolles Sterben.

Wie viel Respekt und Ehrfurcht haben wir nun tatsächlich vor dem Sterben und dem Tod?

Ich sprach von jenem Paradox:

Wir akzeptieren das Sterben von Massen auf der Welt und schauen zu, ja konsumieren es im Fernsehen in Filmen und in den Kinos einerseits und sind dennoch auf der anderen Seite tief traurig, wenn ein nah stehender Mensch stirbt oder gestorben ist.

Wir tabuisieren einerseits den Tod und das Sterben – reden also nicht gerne darüber - und dennoch geschehen Tod und Sterben überall auf der Welt – Sekunde für Sekunde.

Tod und Sterben gehören zur Natur wie Atmen, Essen und Trinken.

Wie sollten wir mit dem Tod und mit dem Sterben umgehen?
Zunächst sollten wir es wertschätzen, dass wir „das Licht dieser Welt“ erblicken durften.
Weiterhin sollten wir dankbar sein für jeden neuen Morgen, an dem wir aufwachen und an dem uns ein neuer Tag geschenkt wird.
Wir sollten durch den Rhythmus von Tag und Nacht, von Schlafen und Aufwachen und auch vom Rhythmus der Leid- und der Glückserfahrungen lernen, dass beides essentiell ist: ohne Schlaf kein Aufwachen! Ohne Nacht kein Tag! Ohne Tod kein Leben! Jesus wird im Evangelium nach Johannes im Kapitel 12 zitiert mit: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer an seinem Leben hängt, verliert es.“ Leben und Tod gehören zusammen wie Nahrungsaufnahme und Ausscheidung. Dinge kommen – Dinge gehen. „Alles hat seine Zeit“, sagt der Schreiber in der Hebräischen Bibel im Buch „Prediger“ im Kapitel 3.
Der Sinn des Lebens erschließt sich insofern durch die Polarität zum Tod. Es gilt das Leben zu leben, zu gestalten und zu genießen; ethisch verantwortungsvoll und in dem Bewusstsein, dass keiner (!) weiß, was nach dem Tod wirklich sein und kommen wird: das Nichts oder tatsächlich – wie es viele gläubige Menschen sagen – das ewige und vollkommene Leben mit voran gehendem „Gericht“ als Form der „Gerechtigkeit“?   
Wir sollten etwas hinterlassen, was an unser Leben erinnert – aber nicht zwingend. „Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“, so schreibt es der Schreiber des Hebräerbriefes im Kapitel 13 Vers 14. Und auch Jesus wird mit einer ähnlichen Aussage im Evangelium nach Matthäus Kapitel 6, in den Versen 19 – 21 zitiert: „Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen. Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“
Wir sollten einen Standpunkt, eine Vision - ja - einen "Glauben" entwickeln bzgl. dessen, was nach dem Sterben bzw. was nach dem Tod kommt: das Nichts oder etwas Bestimmtes? Sterben wir ins Nichts oder sterben wir in Gott - ins Leben?

Aus dem Kapitel 4 des 1. Briefes des Johannes, Verse 16 – 18:  

„Und wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat: Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. 17 Darin ist die Liebe bei uns vollendet, auf dass wir die Freiheit haben, zu reden am Tag des Gerichts; denn wie er ist, so sind auch wir in dieser Welt. 18 Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus. Denn die Furcht rechnet mit Strafe; wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe.“

Wer liebt, fürchtet sich nicht.
Furcht ist nicht in der Liebe.

Schauen wir auf uns und auf das Jetzt und Heute.
Bleiben wir im Jetzt.
Lieben und leben wir bis zum letzten Atemzug.
Wir sind nicht allein.

Gott ist Liebe. Aus Liebe sind wir gekommen – zur Liebe gehen wir.

Rainer Langlitz

                                                            


Es gibt noch keine Rezension.
0
0
0
0
0

Zurück zum Seiteninhalt