Die Zahl 4 in der Mathematik, in der Naturwissenschaft, in der Philosophie und in der Theologie

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Die Zahl 4 in der Mathematik, in der Naturwissenschaft, in der Philosophie und in der Theologie

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Essays · Dienstag 06 Apr 2021
Die Zahl 4 in der Mathematik, in der Naturwissenschaft, in der Philosophie und in der Theologie

Von der Bedeutung der Zahl 4 als Zahl der Begrenzung, der Fläche, des Endes und der Extreme und in der Bedeutung des Kreuzes bzw. des Doppel-Minus-Zeichens als Positivität



Einleitung

Im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende der Menschheitsgeschichte gab es immer wieder Menschen, die allgemein oder in bestimmter Weise den Zahlen eine besondere Bedeutung zugemessen haben.

  • Zahlen sind abstrakte mathematische Objekte beziehungsweise Objekte des Denkens, die sich historisch aus Vorstellungen von Größe und Anzahl entwickelten.

  • Zahlen dienen in der Mathematik sowie in den Naturwissenschaften und allgemein dem Menschen der Berechnung und als Maßangaben.

  • Zahlen spielen in allen Bereichen der Welt eine Rolle.

Wir wollen uns im Folgenden im Besonderen mit der Bedeutung der Zahl 4 beschäftigen.



Hauptteil

Die Zahl 4 erscheint in der Mitte der Zahlen 3 und 5. Die Zahl 3 erscheint z. B. als Trinität oder als Terz. Im Lateinischen wird die Zahl 5 mit ‚quinque‘ wiedergegeben bzw. symbolisch als V. Das Symbol für 10 ist das X, das als Doppel-V (2x5) gedeutet werden kann.

Die Bedeutung des X kann in der Bedeutung des Kreuzes gesehen werden. Im griechischen Alphabet ist das K interessanter Weise der zehnte Buchstabe. Wir kennen die Bedeutung des X als Kreuz auch unter dem Andreaskreuz, das z. B. bei Bahnübergängen als Hinweisschild dient.

Die Bedeutung der Zahl 4 wird meines Erachtens am bedeutungsvollsten im Symbol des Plus-Zeichens bzw. als Hinweis für 4 verschiedene Richtungen. Das Pluszeichen kann dabei auch als Kreuz wahrgenommen bzw. als Positivzeichen bezeichnet werden. Das Positivzeichen steht im Zusammenhang mit dem Kreuzzeichen und weist eindeutig auf die Zahl 4 hin. Das Positivzeichen besteht aus zwei Minuszeichen, die zusammen das Positivzeichen ergeben. Auch im mathematischen Verständnis ergibt die Multiplikation einer Zahl mit einem negativen Vorzeichen in Form eines Minussymbols mit einer weiteren negativen Zahl einen positiven Wert.

Bsp.:

(-) 2 x (-) 2 = (+) 4.

Der Begriff des Positiven steht dabei im engen Zusammenhang mit dem Begriff der Position. Der Begriff Position wiederum leitet sich aus den vier lateinischen Stammformen ponere, pono, posui, positum ab. Jede Position ist durch vier Richtungen gekennzeichnet: Nord-Süd-West-Ost. Norden zeigt nach oben hin zum Nordpol. Jede geographische Position lässt sich durch die vier geographischen Koordinaten als Lage eines Punktes auf der Erdoberfläche beschreiben. Der Erdball wird zunächst in 180 Breitengrade und 360 Längengrade eingeteilt. Breitengrade verlaufen parallel zum Äquator. Längengrade verbinden Nord- und Südpol. Breitenkreise (Linien konstanter Breite) verlaufen parallel zum Äquator, Längenkreise (Linien konstanter Länge) durch Nord- und Südpol. Position, Plus- bzw. Positivzeichen deuten dabei also auf die Zahl 4 hin: Norden, Süden, Osten und Westen. Position ist dabei der Schnittpunkt zwischen einer Nord-Süd bzw. Ost-Westachse.

Das Positiv-Zeichen hat dabei auch in der Zahlenbedeutung 4 verstärkt theologische Bedeutung. Das Kreuz hat eine vertikale und eine horizontale Achse. Der vertikale Bestandteil des Kreuzes weist auf die Verbindung von Himmel und Erde hin, während sich der horizontale Bestandteil des Kreuzes auf die Beziehung der Lebewesen untereinander bezieht.

Wir kennen weiterhin die vier Adventssonntage in Form von vier Wochen vor Weihnachten als Erwarten der Wiederkunft des Sohnes Gottes, und wir kennen vier Evangelien, die in den Kanon der Bibel aufgenommen wurden. Bereits im Alten Testament ist von vier Flüssen die Rede, die ein Areal, den sogenannten Garten Eden, eingrenzen.

In der Apokalypse des Johannes ist im 6. Kapitel von vier Reitern die Rede. Die Bibel erwähnt diese vier apokalyptischen Reiter als Boten der nahenden Apokalypse, des Jüngsten Gerichts, eines der vier letzten Dinge. Offenbarung 20 Vers 8 spricht dabei auch von den vier Enden der Erde. In Offenbarung 7 Vers 1 heißt es:

„Nach diesem sah ich vier Engel auf den vier Ecken der Erde stehen; die hielten die vier Winde der Erde fest, damit kein Wind wehte auf der Erde noch auf dem Meer noch über irgendeinen Baum.“

Das Benutzen der Zahl 4 hat im Zusammenhang mit der Offenbarung des Johannes also den Aspekt des Endes dieser Welt.

Wenn in Offenbarung 20 Vers 8 von den „vier Enden der Erde“ die Rede ist, dann deutet dies literarisch bzw. theologisch auf einen Punkt hin, an dem eine Endschlacht zwischen Satan und Christus geführt wird. In diesem Zusammenhang werden in Offenbarung 20,8 auch die Begriffe Gog und Magog verwendet, die wiederum aus dem Buch des Propheten Hesekiel entnommen sind. Johannes spielt damit höchstwahrscheinlich auf Hesekiel 38,1 – 39,20 an. Hesekiel 38, 1 – 39, 20 beschreibt eine Vision einer Kriegssituation unter Nationen. Innerhalb dieses Abschnittes im Buch des Propheten Hesekiel fällt der Begriff „Gog aus Magog“. Aus den Stellen in Offenbarung 19, 20 und 20, 10 in Verbindung mit dem Jona-Buch wird deutlich, dass sich der Begriff „Gog aus Magog“ auf das Ereignis aus dem Jahre 722 v. Chr. bezieht, also auf die Zerstörung Samarias als Hauptstadt des Nordreichs, bzw. auf die Zerstörung Ninives im Jahre 612 v. Chr.

Auch in der Psychologie hat die Zahl 4 ihren festen Platz. Der Psychologe Fritz Riemann erkannte vier Grundformen der Angst als Extreme von jeweils zwei Antinomien. Nach seiner Theorie existieren diese vier Grundängste jeweils durch das extreme Bedürfnis

a) nach Distanz bzw. nach Nähe.
b) nach Stetigkeit bzw. nach Wandel.

Eine Person wird von Riemann

a) schizoid genannt, wenn sie das Bedürfnis nach Distanz extremisiert.
b) depressiv genannt, wenn sie das Bedürfnis nach Nähe extremisiert.
c) zwanghaft genannt, wenn sie das Bedürfnis nach Stetigkeit extremisiert.
d) hysterisch genannt, wenn sie das Bedürfnis nach Wandel extremisiert.

Riemann erläutert diese Notwendigkeiten und die damit verbundenen Ängste anhand des Gleichnisses der vier Bewegungen der Erde:

a) Die Erde dreht sich um sich (Eigendrehung).
b) Die Erde dreht sich um die Sonne (Fremddrehung).
c) Die Erde strebt zur Mitte (Schwer- oder Zentripetalkraft).
d) Die Erde strebt nach Außen (Flieh- oder Zentrifugalkraft)

Riemann nimmt nun an, dass diese vier Bewegungen unbewußten Triebkräften und latenten Forderungen des Menschen entsprechen, die sich alle als Ängste unseres Lebens manifestieren:

a) die Angst vor der Selbsthingabe, als Ich-Verlust und Abhängigkeit erlebt (schizoid).
b) die Angst vor der Selbstwerdung, als Ungeborgenheit und Isolierung erlebt (depressiv).
c) die Angst vor der Wandlung, als Vergänglichkeit und Unsicherheit empfunden (zwanghaft).
d) die Angst vor der Notwendigkeit, als Endgültigkeit und Unfreiheit erlebt (hysterisch).[1]

Auch in der Temperamentenlehre, die vom griechischen Arzt Hippokrates ca. 400 v. Chr. niedergeschrieben wurde, spielt die Zahl 4 eine Rolle in Form von den vier Grundwesensarten des Menschen:

a) Sanguiniker (ein heiterer, lebhafter und leichtsinniger Mensch)
b) Choleriker (ein leicht erregbarer, unausgeglichener, jähzorniger, zu Wutanfällen neigender Mensch)
c) Phlegmatiker (ein langsam, ruhig und manchmal sogar schwerfällig wirkender Mensch)
d) Melancholiker (ein zu Schwermut, Trübsinn und Traurigkeit, aber auch zu Misstrauen und Kritik neigender Mensch).

Zudem spricht der Kommunikationswissenschaftler Friedemann Schulz von Thun vom „Vier-Seiten-Modell“ (auch Nachrichtenquadrat, Kommunikationsquadrat oder Vier-Ohren-Modell) als ein Modell der Kommunikationspsychologie, mit dem eine Nachricht unter vier Aspekten oder Ebenen beschrieben wird:

a) Sachinhalt (Worüber informiert eine Person?)
b) Selbstoffenbarung (Was gibt eine Person von sich kund?)
c) Beziehung (Wie steht die Person zu einer anderen Person zueinander?)
d) Appell (Wozu will die Person veranlassen?)

Weiterhin erscheint bekanntlich die Zahl 4 innerhalb der Grundbausteine von DNA (Desoxyribonukleinsäure) und RNA (Ribonukleinsäure) in Form von vier verschiedenen organischen Nukleinbasen:

a) Adenin
b) Thymin
c) Guanin
d) Cytosin

Wir alle kennen darüber hinaus die vier Jahreszeiten:

a) Frühling
b) Sommer
c) Herbst
d) Winter

Auch die folgenden vier Phänomene seien genannt. Es geht dabei um unüberschreitbare, unerreichbare, sowie begrenzte bzw. unstillbare Dimensionen:

a) Zeit (wir können weder in die Zukunft blicken noch in die Vergangenheit zurückkehren = Zeit ist nicht überschreitbar).
b) Ort (wir können uns nicht beliebig von Ort A nach Ort B begeben, sondern sind oftmals an ein Fortbewegungsmittel gebunden = Orte sind nicht beliebig erreichbar)).
c) Tod (wir erleben den Tod als Begrenzung unseres Lebens).
d) Macht (wir erleben Macht als Manifestation eines unstillbaren Verlangens bzw. von unstillbaren, ständig wiederkehrenden Bedürfnissen nach Glück, Geld, Einfluss, Wissen, Hunger, Durst, Liebe).   

Der griechische Dichter Aischylos benannte in seinem 467 v. Chr. entstandenen Stück „Sieben gegen Theben“ im Vers 610 die folgenden vier Haupttugenden:

a) verständig (sóphron),
b) gerecht (díkaios),
c) fromm (eusebés) und
d) tapfer (agathós) bezeichnet.

Unser menschliches Herz hat vier Herzklappen, die dem Herz als Ventile dienen und einen Rückstrom des Blutes in die falsche Richtung verhindern.

Last but not least kennen wir die vier Grundkräfte der Physik, die auch als Naturkräfte bezeichnet werden:

a) die Gravitation (gegenseitige Anziehung von Massen).
b) den Elektromagnetismus (Wechselwirkung von elektrisch geladenen Teilchen).
c) die schwache Wechselwirkung (Zerfall von Teilchen).
d) die starke Wechselwirkung (Bindung zwischen den Quarks in den Hadronen in Form der Protonen und Neutronen als Atomkernbausteine).



Schlussteil

An dieser Stelle ist nun die Bedeutung der Zahl 4 als Zahl der Begrenzung, der Fläche, des Endes und der Extreme und in der Bedeutung des Kreuzes bzw. des Doppel-Minus-Zeichens als Positivität deutlich geworden.

Die Zahl 4 spielt damit in vielen Bereichen eine wesentliche Rolle.

Wir wollen abschließend diese Bereiche noch einmal in einer Zusammenfassung darstellen:


1.) Naturwissenschaft:
  • Physik: vier Grundkräfte der Natur
  • Erdkunde: vier Himmelsrichtungen, vier Jahreszeiten
  • Biologie: vier Nukleinbasen als Teil der DNA und RNA; vier Herzklappen

2.) Philosophie:
  • vier Haupttugenden Verstand, Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Tapferkeit.
  • vier Grenzen in Form von Zeit, Ort, Tod, Macht
  • das Kreuz
  • die Position

3.) Mathematik:
  • Pluszeichen bzw. das Multiplikationszeichen als Doppelminus
  • Vier Ecken eines Rechtecks bzw. eines Quadrats

4.) Theologie:
  • die vier Evangelien
  • die vier apokalyptischen Reiter
  • die vier Flüsse im Paradies
  • die vier Enden der Welt
  • das Kreuz

5.) Psychologie:
  • das Kommunikationsquadrat (Friedemann Schulz von Thun)
  • die vier Grundformen der Angst (Fritz Riemann)
  • die Lehre von den vier Grundwesensarten des Menschen


Rainer Langlitz
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     

 
   
 
[1] Stangl, W. (2021). Grundformen der Angst. [werner stangl]s arbeitsblätter.
WWW: https://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/EMOTION/Riemann.shtml (2021-04-06).
 
 
 


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