Die Kunst des Lebens

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Die Kunst des Lebens

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Soziale Kompetenz · Montag 24 Aug 2020

Die Kunst des Lebens

- Von der Bedeutung der Kommunikation -


Unser individuelles Leben ist eine einmalige und unverwechselbare Kunst.

Kunst bedeutet einerseits "Freiheit".

Hegel (Philosoph, 1770 - 1831) definierte "Freiheit" als "Einsicht in die Notwendigkeit".

Damit ist die Freiheit eingebettet in eine bestimmte Form von Regeln und Gesetzen.

In der Kunst gibt es zwar kein "Richtig" und kein "Falsch".

Dennoch benötigen wir in unserem Leben, das eine Kunst ist, so etwas wie "Regeln" bzw. eine "Richtschnur".

Künstler kommunizieren mit ihren Werken: wir sind die Künstler unseres Lebens. Unser Werk als Künstler ist unser Leben selbst. Das Leben ist insofern eine "Kunst der Kommunikation".

Zu leben ist eine Kunst. Innerhalb dieser Kunst bewegen wir uns zwischen Freiheit und Zwang bzw. Notwendigkeit.

Wieviel Freiheit steht uns zu? Wieviel Freiheit tut uns gut? Wie viele Regeln brauchen wir?


 
I.) Zunächst zur Bedeutung des Wortes "Kommunikation":

In dem Wort „Kommunikation“ steckt zunächst das lateinische Wort „communis“. Dieses Wort communis bedeutet soviel wie „gemeinsam“. Gemeinsam deutet auf meist zwei oder mehr Personen hin. Wir sprechen von „Gruppen“. In jeder Art von Gruppe gibt es eine Form der Kommunikation. Wir teilen dem bzw. den Anderen etwas mit und haben insofern mit dem Anderen bzw. den Anderen etwas gemeinsam. Wir könnten das Wort "Kommunikation" also übersetzen mit "gemeinsame Mitteilung untereinander", "Verständigung", "Verbindung", "Gemeinschaftlichkeit".



II.) "Wir können nicht nicht kommunizieren!"

Der große Kommunikationswissenschaftler, Paul Watzlawick (1921 - 2007) prägte den bekannten Satz:

„Wir können nicht nicht kommunizieren.“

Was bedeutet das? Dass wir nicht nicht kommunizieren können (Watzlawick), meint, dass Kommunikation nicht alleinig auf die verbale Ebene zu reduzieren ist, sondern dass z. B. auch eine völlig schweigsame Person bereits mit ihrer Außenwelt kommuniziert. Inwiefern? Beim genauen Hinsehen und Betrachten jener schweigsamen Person würde beispielsweise deren Gestik und Mimik auffallen. Mit anderen Worten: Unsere ganze Person, unser ganzer Körper in Form von dessen Körperhaltung und in Form von dessen Körpersprache kommuniziert mit seiner Außenwelt. Samy Molcho, geb. 1936 in Tel Aviv, ist einer der Pioniere auf jenem Gebiet der Körpersprache. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von verbaler Kommunikation und non-verbaler-Kommunikation. Auf beiden Ebenen (verbal und non-verbal) transportieren wir unsere Stimmung. Anhand unserer non-verbalen Kommunikation (also unsere Kommunikation mit der Außenwelt ohne (!) Sprache) können Außenstehende erkennen, wie es uns geht.

Beispiele für Unsicherheit bzw. Angst bei der non-verbalen Kommunikation:

  • häufiges Wegschauen
  • dem Gegenüber längere Zeit nicht in die Augen schauen können
  • Erröten oder Erblassen

Beispiele für Traurig-Sein bzw. Niedergeschlagenheit bei der non-verbalen Kommunikation:

  • gebeugte Körperhaltung
  • sehr langsames Gehen
  • leicht bis stark herunter gezogene Mundwinkel
  • starrer Blick bzw. wenig abwechselnde Mimik


III.) Senden und Empfangen bei der Kommunikation:

Zur Kommunikation gehören immer die Begriffe „Senden“ und „Empfangen“. Sehr ausführlich hat dieses Prinzip Friedemann Schulz von Thun, geb. 1944 in Soltau, dargestellt. In seiner Theorie gibt es vier verschiedene Ebenen („Vier-Seiten-Modell“ bzw. „Kommunikationsquadrat“) in der Kommunikation zwischen Sender und Empfänger:

  • die Sachebene (Mitteilung von Daten und Fakten)
  • die Selbstkundgabe bzw. Selbstoffenbarung (Mitteilung von eigenen Gefühlen und Meinungen)
  • die Beziehungsseite (Wie stehen die beiden Personen zueinander? Was hält der/die eine vom anderen?)
  • die Appellseite (Finalität der Kommunikation: Was möchte die eine Seite mit ihrer Kommunikation erreichen?)

Zitat aus Wikipedia, Art. „Friedemann Schulz von Thun“, Aufruf vom 24.08.2020:

„In der zwischenmenschlichen Kommunikation gibt es aber nicht nur denjenigen, der sich äußert – den Sender –, sondern gleichzeitig auch einen, der zuhört – den Empfänger. Während der Sender mit „vier Schnäbeln“ spricht, hört der Empfänger mit „vier Ohren“. Die vier Seiten der gesendeten Nachricht, also das, was der Sender mit einer Äußerung ausdrücken und/oder bewirken will, entsprechen oftmals nicht den vier Seiten, wie sie vom Empfänger interpretiert werden. Deshalb machen die vier Seiten einer Nachricht zwischenmenschliche Kontakte spannend, aber auch spannungsreich und anfällig für Störungen. In der Praxis ist der Empfänger zugleich auch Sender.“

Zitat Ende.



IV.) Lüge und Aufrichtigkeit bei der Kommunikation:

Was ist nun das Problem bei der Aufrichtigkeit bzw. bei der Lüge innerhalb der Kommunikation?

Dazu ein paar Beispiele:

1. Hans wird von einem seiner Freunde (Ulrich) gefragt, wie ihm das von Ulrich neu gekaufte rosa Hemd gefällt. Hans schaut sich das Hemd an und lässt es auf sich wirken. In Bruchteilen von Sekunden regt sich in ihm Widerstand gegen dieses Hemd mit der Farbe rosa. Er empfindet in Folge dessen Abneigung gegen dieses Hemd und kommt innerlich wiederum nach Bruchteilen von Sekunden zum Ergebnis: „Gefällt mir überhaupt nicht. Furchtbar...!! Wie kann ein Mann nur ein rosa farbenes Hemd anziehen!"). Hans sagt jedoch nicht, was er wirklich denkt und empfindet, sondern er sagt: „Na, ja es geht. Ganz ok...!“.

2. Matthias wird von der 200 km entfernt wohnenden Brigitte eingeladen. Sie will Matthias gerne kennenlernen und ihn ggf. für eine Beziehung gewinnen. Matthias ist jedoch nicht in der Lage, ihr eine klare Absage zu erteilen auf Grund der Distanz von 200 km. Er hält die Kommunikation aufrecht und lässt sie damit im Ungewissen.

3. Eine Partei verspricht vor der Wahl, dass sie Reichtum für alle ermöglichen werde. Die Partei wird auch in Folge ihres Wahlversprechens gewählt. Nach der Wahl kann das Versprechen jedoch nicht eingelöst werden.

4. Paul führt mit seiner Frau Inge eine zehn-jährige glückliche Ehe. Vor kurzem jedoch hat er seine Frau betrogen, indem er mit einer seiner Freundinnen geschlafen hat. Paul hat deswegen ein schlechtes Gewissen, fühlt sich jedoch nicht in der Lage, mit Inge darüber zu reden.

5. Kollege A plappert dem Kollegen Y „ein Ohr ab“, d. h. er hat regelmäßig einen hohen Redebedarf. Kollege Y lässt dies jedoch über sich ergehen und lässt Kollege A in dem Bewusstsein, dass alles in Ordnung sei.



Was wird an diesen Beispielen hinsichtlich des Problems von Lüge und Aufrichtigkeit deutlich?

Zu Beispiel 1:

Hans sagt nicht das, was er wirklich empfindet. Tendenziell will Hans seinen Freund Ulrich nicht vor den Kopf stoßen. Hans scheut sich davor, seine Empfindung zu kommunizieren. Dabei ist Hans einerseits unaufrichtig und andererseits belügt er sich selbst, indem er seine Empfindung nicht wahrheitsgemäß kommuniziert. Er lügt zwar nicht, aber ist auch nicht aufrichtig. Hans heuchelt.

Zu Beispiel 2:

Matthias ist ebenfalls nicht aufrichtig. Indem er seine bereits innerlich getroffene Entscheidung, Brigitte nicht besuchen zu wollen, nicht mitteilt, ist auch er unaufrichtig und hält Brigitte damit hin,  was quasi einer Lüge entspricht.

Zu Beispiel 3:

Parteien versuchen oftmals mit aller Gewalt, die Stimmen der Wähler und Wählerinnen zu erhalten. Dabei sind ihnen manchmal auch unaufrichtige Slogans „Reichtum für alle“ opportun. Sie wissen doch genau, dass Reichtum für alle (!) utopisch ist. Also wird hier mit der Lüge agitiert oder im anderen Fall quasi eine Art Kommunismus angestrebt, in dem jeder gleich viel hat. Auch hier liegt Unaufrichtigkeit bzw. Betrug vor.  

Zu Beispiel 4:

Paul hat Inge betrogen, indem er mit einer anderen Frau geschlafen hat. Sein Schweigen Inge gegenüber ist insofern unaufrichtig, als dass er nicht zu seiner Tat steht, sondern seinen Ehebruch verschweigt. Einerseits kann er damit die Ehe ggf. am Leben halten, andererseits liegt mit diesem Ehebruch etwas zwischen Paul und Inge, das sich  non-verbal mit großer Wahrscheinlichkeit manifestieren wird.

Zu Beispiel 5:

Kollege Y ist mit seinem Verhalten zunächst höflich, indem er dem Kollegen A nicht offenbart, dass er (Y) total genervt ist von dem Geplappere von A. Dennoch ist auch Y unaufrichtig und tendiert zur Lüge.


Was ist aus den Beispielen 1 – 5 zu lernen?

                                                
    1. Oftmals fällt es uns schwer, unsere wahren (!) Empfindungen zum Ausdruck zu bringen. Hierbei geht es um die Fähigkeit bzw. die Kompetenz, aufrichtig zu sein. Es geht um die Frage: „Wie schaffe ich es, aufrichtig zu sein?“ ("Kompetenz-Ebene“).
    2. Oftmals sagen wir unserem Gegenüber etwas Anderes als das, was mir meinen. Hierbei bewegen wir uns zwischen Unaufrichtigkeit und Lüge. ("Objekt-Ebene“).
    3. Aufrichtigkeit hat etwas mit dem Äußern der eigenen Meinung zu tun. Dazu ist oftmals „aufrechtes Stehen“ und ein fester Standpunkt notwendig. Nicht umsonst heißt es im Evangelium nach Matthäus 5,37: „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein.“ Matthäus 5,37 fordert damit zur klaren Stellungnahme zugunsten von A oder B auf und verlangt von daher eine Entscheidung. Wir sollen nicht wie Blinde durch die Welt gehen und nicht blind unser Leben leben, sondern uns klar positionieren. Manchmal ist Höflichkeit angebracht. Manchmal ist aber auch eine klar positionierte Äußerung zugunsten von „Ja“ oder (!) „Nein“ notwendig. Wer immer „Wischi-Waschi“ ist und wer es immer jedem recht machen will, ist eben meistens zu sich selbst unaufrichtig und belügt sich damit selbst. In diesem Fall geht es um das Selbst: Wie gehe ich mit mir selbst um? Wie ehrlich/aufrichtig bin ich zu mir selbst? ("Subjekt-Ebene").
 


V.) Zur Bedeutung dieses Blogbeitrags: de arte vivendi - Von der Kunst des Lebens

Spätestens jetzt wird die Bedeutung des Titels dieses Blogbeitrags deutlich:

Wir erkennen unsere Schwächen. Vielleicht hat sich der eine oder die andere in den Beispielen 1 – 5 erkannt oder Ähnliches erlebt. Ist es wichtiger, das Objekt – also das Gegenüber – richtig, angemessen, korrekt und höflich zu behandeln oder ist es wichtiger, ein aufrichtiges und authentisches subjektiv stimmiges Verhalten an den Tag zu legen? Wir bewegen uns zwischen diesen beiden Polen – mal abgesehen vom „Elephanten im Porzellanladen", der ohnehin unbedacht, unreflektiert, stupide bzw. idiotisch handelt und sich insofern gar keine Gedanken über sein Verhalten macht.

Was ist uns also wichtiger

a) das Objekt  
b) das Subjekt  

?



Wir können sowohl das Objekt (einen Anderen, das Gegenüber) als auch das Subjekt (uns selbst, die eigene Person) belügen.

Die Kunst in dieser Angelegenheit ist, mit Mitteln der sozialen Kompetenz  

a) Aufrichtigkeit (Expression der eigenen Gefühle, ohne sich zu verstellen bzw. sich zu verbiegen)

und

b) Authentizität (Echtheit und Glaubwürdigkeit)

zu leben, ohne dabei unhöflich zu sein oder dem/der Anderen vor den Kopf zu stoßen.

Es ist eine Kunst, diplomatisch zu sein.

Es ist eine Kunst, sozial kompetent zu sein.


Wir haben dabei in unserem Leben die Aufgabe, diese Kunst im Laufe unseres Lebens zu erlernen.

Es geht darum, aufrichtig zu sein, indem unser Selbst (also die eigene Person) lernt, Denken („Meinung“), Handeln („Verhalten“) und Fühlen („Stimmung“) in Einklang und Harmonie übereinstimmen zu lassen. Wir werden umso mehr krank, je unstimmiger wir unser Selbst vorfinden. Wir sind umso unglücklicher, je unstimmiger wir sind. Im umgekehrten Schluss bleiben wir immun, gesund und stark, je stimmiger unser Selbst ist.

Lüge(n) erzeugt Stress. Stress macht krank. So einfach ist die Formel.

Wer sich um ein Höchstmaß an Aufrichtigkeit und Authentizität bemüht, reinigt damit sein Innerstes und betreibt insofern eine Art „Seelenhygiene“.

Unser Selbst sollte stimmig sein. Dazu müssen wir selbstbestimmt agieren. Um selbstbestimmt agieren zu können, müssen wir uns eine eigene Meinung bilden und einen eigenen Standpunkt einnehmen. „Verstellen“ bedeutet dabei auch: ich habe keinen eigenen Standpunkt, sondern mein Denken, Fühlen und Handeln gehen auseinander, so dass die eigene Person mit fortschreitender Zeit neben (!) sich steht: sie wird quasi „verrückt“.  

Je mehr wir zu verbergen haben, je mehr wir uns verstellen müssen, desto „verrückter“ werden wir.  

Beim „Verrückt-Sein“ herrschen in uns:

  • Dissonanz und Disharmonie (Unstimmigkeit von Denken, Handeln und Fühlen)
  • Distanz (Denken, Handeln und Fühlen sind entfernt voneinander)
  • Diskrepanz (Widersprüchlichkeit im Denken, Handeln und Fühlen)
  • Disharmonie (Fehlen des Einklangs von Denken, Handeln und Fühlen)


Identität lernen wir bereits mit Erziehung bzw. Sozialisation.

Wenn Kinder Dissonanz, Distanz, Diskrepanz und Disharmonie zwischen Denken, Handeln und Fühlen ihrer Bezugspersonen erleben und nicht zur Kompensation fähig sind, werden zukünftige Konflikte und Krisen in der Entwicklung des Kindes programmiert.  

Je mehr Zwei-geteilt-Sein im Sinne der mangelnden Identität beim Heranwachsenden erlebt wird, die nicht kompensiert wird, desto stärker wird eine Vulnerabilität (Verletzlichkeit) in der betreffenden Person erzeugt.  

Im Gegensatz dazu müsste Folgendes erreicht und erlernt werden:

Entwicklung und Stärkung der ...

  • Identität (Übereinstimmung im Denken, Fühlen und Handeln).
  • Differenzierungsfähigkeit (Unterscheidung bzw. Entscheidung zwischen mehreren Möglichkeiten).
  • sozialen Kompetenz (adäquates Verhalten in sozialen Interaktionen).
  • Autonomie (Unabhängigkeit und Selbstbestimmung: Fähigkeit, richtiges Handeln selbst definieren zu können und die eigene Person als unabhängig zu erleben).
  • Sensibilisierung für die Gesetze der Polarität, der Resonanz und von Ursache und Wirkung.




VI. Zusammenfassung:

1.) Leben bedeutet keine Langeweile, sondern eine Vielfalt an Möglichkeiten, Situationen und Erfahrungen.

2.) Wir können, dürfen (und müssen) Vieles im Leben erlernen.

3.) Es gibt keinen perfekten Menschen: jeder Mensch macht Fehler.



Rainer Langlitz


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