Das gesellschaftliche Miteinander oder die Frage: Ist Inklusion zu 100 % umsetzbar?

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Das gesellschaftliche Miteinander oder die Frage: Ist Inklusion zu 100 % umsetzbar?

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Essays · Mittwoch 14 Jul 2021
Das gesellschaftliche Miteinander oder die Frage: Ist Inklusion zu 100 % umsetzbar?
 

Schauen Sie sich bitte die folgenden drei Bilder an:



 
Treffen Sie nun bitte die Entscheidung, mit welcher Person Sie am ehesten einen zwei-wöchigen Urlaub verbringen möchten!
 
Woran machen wir den Wert eines Menschen fest?
 
  • Leistungsfähigkeit?
  • Intelligenz?
  • Schönheit?
  • Sympathiekriterien?
       
Inwiefern sind wir Menschen in der Lage, alle Menschen gleich zu behandeln?
 
Wie solidarisch muss ein Staat bzw. wie solidarisch muss die Menschheit an sich sein?

Zur eigentlichen Hauptfrage dieses Aufsatzes:

Ist Inklusion zu 100 % umsetzbar?
 
Die Frage, ob alle Menschen gleichberechtigt sind, würden sehr wahrscheinlich die meisten Menschen bejahen. Das Prinzip der „égalité“ war eines der drei Schlagworte bei der französischen Revolution neben „fraternité“ und „liberté“.
 
Dies war und ist jedoch immer noch nicht zu 100 % der Fall.

Von der Antike kennen wir das Phänomen der Sklaverei. Der Status der Leibeigenschaft und der Sklaverei hielt sich bis ins 19. Jahrhundert sowohl in Europa als auch in Amerika. Noch bis ins 20. und sogar bis in die heutige Zeit kennen wir das Phänomen des Rassismus: nicht nur unter den deutschen Nationalsozialisten während der Hitler-Zeit, sondern auch in den USA ist jenes Rassismus-Problem akut. Der Film „American Son“ weiß von jenem Rassismus-Problem in den USA zu berichten. Mit anderen Worten: es hört sich schön an, wenn man sagt: „Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich: jeder hat gleiche Rechte und gleiche Pflichten!“ (égalité). Es handelt sich jedoch hierbei um eine Theorie (Anschauung). In der faktischen Realität haben Menschen unterschiedliche Probleme und Behinderungen. Wir treten fast nie vorurteilsfrei an andere Menschen heran. Wir machen uns oft von außen ein Bild von einem Menschen, ohne den jeweiligen Menschen näher kennengelernt zu haben.

Ich wette, Sie haben sich bei der Eingangsfrage, mit welcher Person Sie am ehesten einen zwei-wöchigen Urlaub verbringen würden, für die Person auf dem mittleren Bild (Bild 2) entschieden.

Womit hat es zu tun, dass bei der gestellten Frage sich sicherlich die meisten Menschen für Bild 2 entschieden haben?

Wir sprechen in diesem Zusammenhang von „Randgruppen“.

Unter den Begriff „Randgruppe“ subsumieren wir Bevölkerungsteile innerhalb einer Gesellschaft, die als nicht integriert gelten.

Wir kennen vier gesellschaftliche Prinzipien:
1.) Exklusion:


Exklusion bedeutet „Ausgeschlossen-Sein“.

Exklusion geht meist einher mit Bestrafung, was wir auch unter dem Begriff der Exkommunizierung kennen (siehe röm.-kath. Kirche).

 
Aktuell erleben wir das Prinzip der Exklusion auch in der Corona-Impfdiskussion: Einige Menschen fordern, dass Ungeimpfte von bestimmten Rechten ausgeschlossen sein sollen. In diesem Zusammenhang wird beispielsweise gefordert, dass Ungeimpfte nicht ihre Maske ablegen, dass sie nicht in ein Stadion oder in ein Schwimmbad gehen bzw. nicht in Urlaub fahren dürfen.


2.) Separation:


Separation bedeutet „Trennung“.

Wir kennen die Trennung von Staat und Religion.

Wir kennen aber auch die Situation der Apartheid als eine politisch-gesellschaftliche Doktrin der Rassentrennung, besonders z. B. in der Republik Südafrika, wo früher die einzelnen ethnischen Bevölkerungsgruppen voneinander getrennt wurden.
 

3.) Integration


Das Prinzip der Integration beschreibt einen dynamischen, lange andauernden und sehr differenzierten Prozess des Zusammenfügens und Zusammenwachsens innerhalb einer Gesellschaft. Wir sprechen besonders von der Integration von Immigranten und Ausländern.

4.) Inklusion


Inklusion bedeutet Einschluss bzw. die Einbeziehung von Menschen in die Gesellschaft. Inklusion bedeutet, dass jeder Mensch ganz natürlich dazu gehört. Egal wie du aussiehst, welche Sprache du sprichst oder ob du eine Behinderung hast. Jeder kann mitmachen. Zum Beispiel: Kinder mit und ohne Behinderung lernen zusammen in der Schule. Wenn jeder Mensch überall dabei sein kann, am Arbeitsplatz, beim Wohnen oder in der Freizeit.
 
Bei der Frage der Integration von Ausländern, die durchaus Randgruppen sein können, in eine (reiche) Gesellschaft, geht es oftmals um die Frage des Wohlstands, der erwirtschaftet wurde und ob andere ausländische Menschen an dem erwirtschafteten Wohlstand teilhaben dürfen.

Es geht bei diesen vier Prinzipien der Soziologie um die Frage des Umgangs mit Randgruppen.

Es geht zum Beispiel um die Frage:
 
Wie sollte man mit kriminellen Schwerstverbrechern umgehen?

a) exkludieren
 
b) separieren
 
c) integrieren oder gar
 
d) inkludieren
 
?

Im anderen Fall wäre der Umgang mit Mördern z. B. die Exekution (Hinrichtung).

Der Titel dieses Aufsatzes lautet:

Von den Prinzipien des menschlichen Miteinanders oder die Frage: Ist Inklusion wirklich zu 100 % umsetzbar?
 
Wir müssen die Frage erörtern und abwägen:

Wir können verschiedene soziologische Bereiche erkennen.

a) Integrität (Grad der Unbescholtenheit bzw. der Kriminalität)
 
b) Gesundheitsbereich (Grad der Krankheit bzw. Behinderung)
 
c) Sexualitätsbereich (Bereich der sexuellen Identität und der Partnerpräferenz)
 
d) Religions- bzw. Weltanschauungsbereich (Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kultur oder Überzeugung, zu einer Religion bzw. Konfessionslosigkeit)
 
e) Persönlichkeitsbereich (z. B. Hautfarbe, Alter, Geschlecht)
 
f) Herkunftsbereich (Kontinent, Volk, Sprache z. B.)
 
 
Wie verhalten sich diese soziologischen Bereiche in Bezug auf
 
a) Exklusion
 
b) Separation
 
c) Integration
 
d) Inklusion

?
 
Diese Frage hat stark mit dem Aspekt des Normal-Seins zu tun.

Normal meint in der mathematischen Soziologie so viel wie „durchschnittlich“.

Bei der Gaußschen Normalverteilung geht es um die Frage der „Dichte der Normalverteilung“. Wie dicht ist die normale Schicht? Was wollen wir unter normal subsumieren? Während z. B. die Nationalsozialisten unter „normal“ nur sehr exklusiv (ausgrenzend) subsumierten und dabei z. B. Homosexuelle, Behinderte, Menschen bestimmter ethnischer Herkunft oder gar die Angehörige der jüdischen Religion ausgrenzend, verachtend bzw. auslöschend behandelten, so hat es die westliche Gesellschaft im 21. Jahrhundert geschafft, ein Antidiskriminierungsgesetz aufzustellen, mit dem all diese gesellschaftlichen Gruppen zunächst inkludierend behandelt werden sollen.
 
Dennoch haben wir gesehen, dass besonders im Integritäts- bzw. Kriminalitätsbereich eine absolute Inklusion scheinbar nicht denkbar ist. Kann eine Gesellschaft bestimmte Kriminelle wie z. B. Triebtäter in die Gesellschaft zu 100 % inkludierend behandeln? Wir schaffen es ja nicht einmal derzeit in der Corona-Krise Impfbefürworter bzw. Impfgegner im Sinne der Inklusion zu behandeln: eher geht es bei dem Thema „COVID-19-Impfung“ um Exklusion oder Separation.
 
Inklusion scheint demnach ein frommer Wunsch zu sein – allenfalls kann man sich einer 100 % - igen Inklusion annähern; erreichen wird man sie niemals zu 100%.
 
Dennoch sind wir besonders im soziologischen Bereich der Gesundheit große Schritte der Inklusion gegangen: sowohl im Bereich von Schulen als auch im Bereich der Arbeitswelt wurden körperlich, geistig und/oder psychisch kranke bzw. behinderte Menschen integriert und sogar inkludiert. Wir kennen den Begriff des Integrationsfachdienstes (IFD). Wir sprechen nun sogar von Inklusionsbeauftragten, Inklusionsbetrieben und Inklusionsschulen.

Exklusion scheint mir in Verbindung mit Bestrafung zu stehen.

Separation erscheint mir als Begriff der Diskriminierung – allerdings sowohl negativ als auch positiv, denn wir müssen hin und wieder das eine vom anderen trennen. Trennung ist ein notwendiges Lebensprinzip: Wir haben eine Vorstellung davon,
 
a) was gut bzw. böse ist.
 
b) wer uns sympathisch oder unsympathisch ist.
 
c) ob wir eher Fleisch oder vegetarisch essen möchten.
 
d) welche politische Partei uns eher zusagt.  

Integration verbinde ich mit dem Prinzip der Toleranz.

Inklusion deutet auf Gleichbehandlung bzw. Gleichberechtigung hin.
 
Das Prinzip der égalité (Gleichheit, Gleichbehandlung bzw. Gleichberechtigung) scheint demnach mit Integration bzw. Inklusion einherzugehen. Tatsächlich ist dieses Prinzip nicht auf alle soziologischen Bereiche anwendbar.
 
Die Todesstrafe für Schwerstkriminelle wie z. B. Mörder anzuwenden, ist gleichbedeutend mit dem Prinzip der Exekution. Das Verhängen der Todesstrafe ist immer noch in einigen arabischen Ländern oder auch in einigen Bundesstaaten der USA vorhanden, während die meisten Länder Mörder mit dem Prinzip der Exklusion bzw. der Separation (Gefängnis) behandeln. Andere kriminelle Delikte (z. B. schwere Steuerhinterziehung) dagegen werden integrierend bis hin zu inkludierend behandelt, d. h. bestimmte kriminelle Taten werden gesellschaftlich zwar nicht gerne gesehen, aber die Täter werden dennoch oftmals wieder gesellschaftlich integriert (toleriert) bzw. wieder in die Gesellschaft inkludiert und damit als „normal“ gesehen.

Besonders Mörder können aus ethischen Gründen aus meiner Sicht nicht (!) gemäß dem Aspekt der Inklusion, sondern müssen eher gemäß dem Aspekt der Exklusion bzw. gemäß dem Aspekt der Separation behandelt werden.

Mit diesem Aufsatz sollte also gezeigt werden, dass besonders vom Aspekt der Ethik keine 100 % - ige Inklusion möglich ist bzw. nicht möglich zu sein scheint.


Rainer Langlitz
 
 


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