Wahrheit und Bibel

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Wahrheit und Bibel

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Theologoumena · Montag 28 Sep 2020

Wahrheit und Bibel

- Was ist wahr an der Bibel? -


Diese Frage "Was ist wahr an der Bibel?" berührt die Thematik "Wahrheit".

Was ist eigentlich "wahr"?

Es gibt (und das war eben bereits Thema im Propädeuticum an der KiHo Bethel im WS 94/95) unterschiedliche Zugänge zur Bibel.

Das is' ja nix Neues.

Wir lasen damals Ulrich Luz (Hrsg.): Zankapfel Bibel - Eine Bibel. Viele Zugänge.

Wir wissen nicht, ob es jene Personen in der Bibel historisch gegeben hat:

Mose... hmmm
Elieser in Gen. 15,1-6 hmmm
Abraham...hmmm
Miriam...hmmm
Rut...?
Jakob...?
Josef...?
Maria...?
...
Keine Ahnung. Wir wissen nicht viel darüber...

Und die Sintflut...gab es die...?

Wir würden heute von Mythologie sprechen:

Ein Mythos ist lt. griechischer Antike eine Erzählung von etwas, was mit den Göttern zu tun hat.

Es sind letzten Endes Geschichten, die etwas zeigen und erklären sollen von den Zusammenhängen in der Welt.

Sie sind wie eine Ikone, die den Blick in etwas hinein zeigt...

Wir wissen theologisch, dass selbst die Stammbäume zum Beginn der Evangelien lediglich eine symbolische und theologische Bedeutung tragen und keinesfalls etwas historisch aussagen wollen.

Was ist Mythos? Was ist Wahrheit? Was ist Dichtung? Was ist Inspiration?

Hier gehen die Geister auseinander - und zwar extrem.

Wie können wir uns der Frage nähern, ob es diese Personen bzw. diese Geschichten in der Bibel historisch gegeben hat oder eben nicht?

Folgende Argumente sollen diese Frage beleuchten:

1.) Wie stark ist im jeweiligen Text der Gedanke des Supranaturalismus, sprich wie stark hebt der Text von naturwissenschaftlicher Erkenntnis ab?

2.) Gibt es unterschiedliche und voneinander unabhängige Quellen, in denen jene Personen genannt werden?

3.) Gibt es sozusagen andere stereotype ("verallgemeinernde") Erzählungen aus anderen Kulturkreisen, die sich quasi literarisch wiederholen?

Ich hatte mir mal Gedanken gemacht zum Thema "Wahrheit".

Der Ansatz von Dr. E. Drewermann ist ja nun in Bezug auf die Bibel und auf vielerlei Dinge, das Ganze zu psychologisieren. Träume beispielsweise seien auf der Stufe der Wahrheit entscheidender und wahrheitsvoller als manche Dinge der reinen Fakten.

Ich stimme dem mittlerweile nicht mehr ganz zu.

Ein Traum verarbeitet sozusagen Dinge, die wir in der Realität erleben und erlebt haben. Wie das Unterbewusstsein diese Erfahrungen verarbeitet, liegt nicht in unserer bewussten Steuerbarkeit. Insofern ist der Traum eine Reaktion auf das, was wir in der Realität erlebt haben bzw. erleben. Der Traum ist aber keinesfalls immer gleichzusetzen mit historischen Fakten oder gar mit der Realität. Er ist Teil der physischen Realität, aber eben nicht das, was wir real erleben. Der Traum berichtet uns etwas, wie wir etwas verarbeiten als Reaktion auf die Realität. Schon Goethe sagte: "Träume sind Schäume!" Dieser Ausspruch will deutlich machen, dass die Traumwelt nicht den Charakter des Realen besitzt.

Was ist aber stattdessen "real"?

Was ist Wahrheit?

Was ist historisch?

Ich unterscheide dabei drei Aspekte der Wahrheit:

1.) ein absoluter Aspekt

2.) ein objektiver Aspekt mit dem Unterpunkt

2.1) absolut
2.2) relativ

3.) ein subjektiver Aspekt

Beispiele für diese Aspekte:

zu 2.1)

2.1.1) 2+2=4
2.1.2) Rainer ist ein Mensch. Alle Menschen sind sterblich. Also ist auch Rainer sterblich.
2.1.3) Es gab den "Holocaust".
2.1.4) alle Beweise.
2.1.5) die historische Vergangenheit.

zu 2.2)

2.2.1) die Naturwissenschaften.
2.2.2) die Idee, die hinter dem Film "Matrix" steht.
2.2.3) die sog. (bis jetzt noch 3) Kränkungen der Menschheit (Kopernikus, Darwin, Freud).

zu 3.)

3.1) der Glaube an Gott.
3.2) die Metaphysik bzw. die Spekulation.
3.3) jegliche Theorie, die noch nicht empirisch bewiesen ist.

zu 1.) Gott ist für mich der absolute Aspekt der Wahrheit (Thomas von Aquin in seiner Schrift "Summa contra Gentiles", liber I, cap. 60: Quod Deus est veritas; cap. 61: Quod Deus est purissima veritas).

Fassen wir zusammen:

Warum ist überhaupt etwas und nicht nichts?

Es ist etwas in der Bibel - und das ist auch wahrzunehmen und durchaus ernst zu nehmen.

Die Bibel ist ein wichtiges literarisches Werk.

Ich würde aber nicht so weit gehen, vom "Wort Gottes" in Bezug auf die Bibel zu sprechen.

Dann könnten wir auch andere Schriften durchaus als "Wort Gottes" deklarieren/bezeichnen.

Wie gesagt:

Mein damaliger NT-Prof, F. Vouga, stellte in einer Vorlesung die Frage:

Welche Kriterien muss ein Evangelium aufweisen?

Und könnten wir auch heute noch ein Evangelium schreiben?

Mit anderen Worten:

Was ist hieran erfunden im Sinne der dichterischen Literatur im Sinne der Werke von Goethe, Dostojewski, Kafka, Camus etc.?

Die Frage nach "Dichtung" und "Wahrheit" erscheint mir an dieser Stelle durchaus berechtigt zu sein.

Und ich bin der Überzeugung, dass ein Großteil der biblischen Erzählungen lediglich aber immerhin Reflektionen auf historische Realitäten sind/darstellen. Per se ist die Bibel jedoch keineswegs mit der historischen Faktenlage gleich zu setzen - und zwar in ähnlicher Weise, wie ich es weiter oben zum Thema "Traum" beschrieben habe.

Sie ist ein besonderes Werk! Nicht mehr - aber auch nicht weniger.

Rainer Langlitz


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