Tod, Zerstörung, Leiden: das Böse und das Gute und von der Dualität der Schöpfung

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Tod, Zerstörung, Leiden: das Böse und das Gute und von der Dualität der Schöpfung

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Theologoumena · Sonntag 09 Jul 2023
Tod, Zerstörung, Leiden: das Böse und das Gute und von der Dualität der Schöpfung
 
 

Welchen Zugang zum Tod, zur Zerstörung und zum Leiden könnten wir finden?



 
  • Flutkatastrophen
  • Krebs und Tumore und das damit verbundene Leiden und der damit verbundene Tod
  • Orkane, Hurrikanes, Tornados
     

Das Bild von der Zerstörung innerhalb der Schöpfung könnte unendlich fortgeführt werden.

 
Wie könnten wir mit dieser Tatsache, diesem Phänomen und dieser Realität des Todes, der Zerstörung und des Leidens umgehen?

Können wir uns mit dieser Realität abfinden und sie verstehen?
 

Der Tod, die Zerstörung und das Leiden sind Teil der Dualität dieser Welt. So erkläre ich mir dieses Phänomen, diese Tatsache und diese Realität.

 
Schöpfung bedeutet für mich: es beginnt ständig etwas Neues. Die Dualität zur Schöpfung bedeutet Zerstörung: es stirbt ständig etwas ab, es geht ständig etwas zu Ende. Würden wir nur das Gute, das Schöne quasi das Positive kennen, so wäre uns das Negative unbekannt. Ohne den einen Teil der Dualität kann der andere Part nicht wahrgenommen, erkannt, verstanden, erlebt, gespürt und gefühlt werden.

 
Nach dem Schöpfungsbericht im Buch Genesis der Bibel erschafft Gott beides: den Tag und (!) die Nacht. Darin ist inkludiert: Gott setzt die Voraussetzung für die Dualität.

 
Die Bibel widerspricht sich teilweise in dieser Frage des Todes, der Zerstörung und des Leidens. Für die Feststellung dieses Widerspruchs wollen wir zwei Aussagen der Bibel betrachten:

 
In einem Buch des Alten Testaments 1. Könige Kapitel 19 (Verse 9-14) wird die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Herkunft von Naturkatastrophen in Verbindung mit Gott in einer Elia-Erzählung thematisiert. In dieser kurzen Erzählung sitzt der Prophet Elia aus Angst vor seinen Verfolgern in einer Höhle, um sich vor ihnen zu verstecken und sich so in Sicherheit zu bringen. Aber Gott befiehlt ihm, vor die Höhle zu treten, auf einen Berg zu steigen und zu warten, bis Gott zu ihm spricht. Gott möchte sich Elia offenbaren. Zuerst zieht ein heftiger Sturm auf, der so stark ist, dass er mehrere Gebirgsketten verwüstet. Doch Gott offenbart sich nicht in diesem Sturm, er ist nicht in diesem Sturm zu finden. Danach passieren ein Erdbeben und ein Feuersturm. Auch nach diesen zerstörerischen Naturkräften spricht Gott nicht zu Elia. Dann ist ein leiser Ton stillen Wehens zu vernehmen. Elia verhüllt sein Angesicht und hört in diesem säuselnden Lufthauch Gottes Stimme. In dieser Erzählung wird nicht die Frage nach dem Woher und dem Warum von zerstörerischen Stürmen und Erdbeben geklärt. Es wird nur gesagt, dass man Gott nicht darin findet, auch wenn sie immer wieder vorkommen.

 
Anders sieht es das Neue Testament in der Kreuzerzählung. Vorweggenommen sei in diesem Zusammenhang, dass Matthäus 17,5 und Markus 1,11 Gott selbst sprechen lassen, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Jesus ist ein Teil Gottes. Im Gegensatz zu 1. Könige 19, 9-14 findet sich nun in der Kreuzeserzählung Gott selbst im Leiden. Gott wird zum Teil des Leidens. Aber Gott überwindet nach Aussage des Neuen Testaments das Leiden selbst. Gott wächst über sich hinaus. Er erschafft und verwirklicht etwas Neues: die Auferstehung vom Tod wird lt. Neuem Testament Wirklichkeit.

 
So gibt es zu jedem Teil dieser Schöpfung eine Dualität:

 
  • Tag und Nacht.
  • Schöpfung und Vernichtung
  • Weltvernichtung und Neue Welt (vgl. Offenbarung 21, 1-5)
  • Freude und Leid
  • Tod und Leben
  • Sintflut und Regenbogen
           



Das heißt mit anderen Worten:

 
Wenn wir glücklich sind, müssen wir im Auge behalten, dass es wieder wie selbstverständlich Momente geben kann, in denen wir traurig sein werden.

 
Wenn wir traurig sind, dürfen wir uns daran erinnern und können sicher sein, dass es wie selbstverständlich auch wieder Momente geben wird, in denen wir wieder glücklich sein werden.

 
Wir schlafen ein - Wir wachen wieder auf.



 
Führen wir diese Logik der Dualität weiter, so könnten wir erahnen, dass, selbst wenn wir sterben, es etwas Neues geben wird, denn der Tod ist Teil dieser Dualität der Schöpfung und des Schöpfers.

 
Wir könnten nun an dieser Stelle fragen, ob Gott so etwas wie sadistisch ist, wenn er uns leiden lässt, und warum das Leiden eben zum Leben dazugehören muss und wieso das so ist. Ich möchte an dieser Stelle sofort betonen, dass es schon oft in der Philosophie- und Theologiegeschichte als Problem erkannt wurde, Gott in anthropomorpher Weise menschliche Eigenschaften zuzuweisen.

 
Dennoch: Wenn wir aber so fragen, ob Gott sadistisch sein könnte, weil wir konstatieren müssen, dass wir Leid und Zerstörung und dem Tod ausgesetzt sind, dann haben wir das Prinzip der Schöpfung, nämlich das Prinzip der Dualität, leider noch nicht ganz verstehen können und wollen insofern anscheinend nur den einen Teil der Dualität akzeptieren, nämlich das Positive.

Schöpfung kann aber nicht funktionieren, wenn nur der eine Part der Dualität gelten soll; und so bringt auch Johannes 12,24 jenen wirkmächtigen Satz hervor: "Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, so bleibt es allein; wenn es aber stirbt, so bringt es viel Frucht." Deswegen kann auch das Postulat aus dem 17. Jahrhundert weiterhin gültig sein, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben trotz Tod, Zerstörung und trotz Leiden. Gott ist kein Sadist. Dies lässt sich so ableiten, auch wenn es mir immer wieder schwerfällt, Gott irgendwelche Attribute zuzuordnen.



Wir müssen, um Tod, Zerstörung und Leiden verstehen und akzeptieren zu können, das Prinzip der Dualität anschauen und zu verstehen versuchen:

  • Der Mensch hat meist zwei Arme.
  • Der Mensch hat meist zwei Beine.
  • Der Mensch hat meist zwei Lungen.
  • Der Mensch hat meist zwei Nieren.

Das Herz des Menschen besteht meist aus zwei Teilen: Eine Scheidewand, das sogenannte „Septum“, trennt unser Herz in zwei Hälften. Jede Herzhälfte besteht aus zwei Hohlräumen, dem Vorhof (Atrium) und der Herzkammer.

Jener meditierende Mensch auf obigem Bild weist auf diese feststellbare Dualität hin: er orientiert sich nach beiden (!) Seiten der Realität.

Die Dualität ist ein möglicher Erklärungsansatz quasi für die Notwendigkeit von Tod, Zerstörung und Leiden.

Nichts in der Realität unterliegt nur einem Teil der Dualität.

Wir sind geboren und in diese Welt gekommen, um beides zu erfahren: Tag und (!) Nacht.

Ohne den einen Teil der Dualität könnten wir den anderen Part nicht wahrnehmen, erkennen, verstehen, erleben, spüren und fühlen.

Schlussbemerkung:

Der Aufruf zur Mitmenschlichkeit, Humanität und Fürsorge sei an dieser Stelle noch abschließend erwähnt.

Kein Mensch alleine kann diese Welt retten.

Dennoch geht es darum, die Augen offen zu halten, wo unsere Hilfe gebraucht wird und wo wir helfen können.

Wir können diese Welt nicht retten.

Aber wir können unseren Beitrag dazu leisten, in einer Notsituation ähnlich wie der barmherzige Samariter aus der biblischen Erzählung zu helfen und allgemein caritativ (liebend, fürsorglich und helfend) zu leben.

Auf diese Weise bräuchten wir nicht mehr die Theodizee-Frage zu stellen, sondern könnten mit der Lehre der Dualität (chinesische Lehre von Ying und Yang) und mit der Anthropodizee auf die Frage nach dem Tod, der Zerstörung und dem Leiden antworten, so dass wir in dieser Frage zumindest etwas an Trost und Versöhnung spüren und erfahren können.


Rainer Langlitz




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