Konjunktur und Krisen, Klimaveränderung und Klimapolitik: Russland und der Gas-Stop und die Frage: Droht Deutschland und der Welt eine Rezession?

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Konjunktur und Krisen, Klimaveränderung und Klimapolitik: Russland und der Gas-Stop und die Frage: Droht Deutschland und der Welt eine Rezession?

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Essays · Sonntag 10 Jul 2022
Konjunktur und Krisen, Klimaveränderung und Klimapolitik: Russland und der Gas-Stop und die Frage: Droht Deutschland und der Welt eine Rezession?

Einleitung und vorweggenommenes Fazit:

Der Russland-Ukraine-Krieg hat den zuvor eingeschlagenen Kurs der derzeitigen Bundesregierung vorerst zum Stoppen gebracht.

Es wird nun bald auch zu einem Stop an Gaslieferungen aus Russland kommen.

Die Bevölkerung Deutschlands wird bereits auf einen Sparkurs eingestimmt, was den Energieverbrauch anbelangt.

Wir erleben neben den schrecklichen Bildern von zerbombten Gebäuden in der Ukraine und von vielen Toten und Verletzten einen derben Wirtschaftskrieg zwischen Russland und dem Westen.

Ich persönlich bin trotz aller Unkenrufe (sc. pessimistische Äußerungen) hinsichtlich einer sich einstellenden Wirtschaftskrise optimistisch, dass es trotz des Russland-Ukraine-Krieges zu einer positiven Entwicklung kommen wird. Russland stoppt zwar aktuell die Gaslieferungen und droht so Europa und dessen Wirtschaft.  Andererseits reden viele Politiker bereits vom Wiederaufbau der Wirtschafts- und Infrastruktur in der Ukraine, der mit erheblichen Investitionen verbunden sein wird. Das Geld dafür soll von russischen Oligarchen kommen. So schreibt ntv am 06. Juli 2022 in einem Online-Artikel (Link, hier) mit der Überschrift „Ukraine fordert 750 Milliarden Dollar für Wiederaufbau“ (Zitat):

„Die ukrainische Regierung will den Wiederaufbau ihres kriegszerstörten Landes zu einem großen Teil mit russischem Geld finanzieren. Nötig seien nach Schätzungen mindestens 750 Milliarden Dollar (knapp 720 Milliarden Euro), sagte Regierungschef Denys Schmyhal bei der ersten großen Wiederaufbau-Konferenz in Lugano in der Schweiz. Herangezogen werden sollten die rund 300 bis 500 Milliarden Dollar Vermögenswerte des russischen Staates und von Oligarchen, die weltweit eingefroren seien, sagte Schmyhal. Juristen betonen, wie schwierig es ist, eingefrorene Vermögenswerte zu konfiszieren und auszugeben. Nötig wären unter Umständen Urteile vor internationalen Gerichten. Oligarchen müsste eine direkte Verantwortung für Beiträge zum Kriegsgeschehen nachgewiesen werden.“

Zitat Ende.

Der Druck, den Europa und die westliche Welt auf Russland ausüben, in Bezug auf das Öl- und Gasembargo auf der einen Seite und der Lieferstopp an Gas durch Russland selbst auf der anderen Seite rufen natürlich Probleme für die deutsche Industrie hervor. So schreibt das Handelsblatt am 08. Juli 2022 in einem Online-Artikel (Link, hier) mit der Überschrift „Deutsche Industrie bereitet Shutdown der Produktion vor“ (Zitat):

„Angesichts der reduzierten Gasflüsse aus Russland bereiten sich große Teile der deutschen Industrie darauf vor, ihre Produktion geordnet herunterzufahren, sollte sich die Versorgungslage deutlich verschlechtern. Schon jetzt prüfen Großverbraucher aus der Chemie-, Metall- und Baustoffindustrie, wie sich eine Reduzierung der Liefermenge auf die eigene Wertschöpfungskette auswirkt, wie eine Umfrage des Handelsblatts zeigt. So rechnet etwa der weltgrößte Chemiekonzern BASF damit, den Produktionsverbund am Stammsitz Ludwigshafen mit reduzierter Last weiterbetreiben zu können, sollte die gelieferte Gasmenge bis zu 50 Prozent unter dem maximalen Energiebedarf liegen. „Würde die Versorgung aber deutlich und dauerhaft unter 50 Prozent sinken, müssten wir den Produktionsstandort unter Einhaltung der notwendigen Sicherheitsstandards herunterfahren“, heißt es vom Konzern.“

Zitat Ende.

Wie gesagt, ich bin optimistisch, dass wir alle, Bürgerinnen und Bürger sowie Staat, die Politiker und die Banken sowie die Industrie auch diese Krise meistern werden und es zu einer Lösung kommen wird.

Nichtsdestotrotz bleibt es dabei, dass für die zukünftig drohende Hauptkrise, nämlich die weltweite Klimaveränderung verbunden mit Dürre- und Flutkatastrophen, ebenfalls eine Lösung gefunden werden muss, denn sonst drohen Europa weitere Flüchtlingskrisen sowie weltweite Ernteausfälle und Versorgungsengpässe.

Der eingeschlagene Kurs der derzeitigen Bundesregierung (Ampel-Koalition unter SPD, Grüne und FDP) mag zwar vielen unsympathisch, unvernünftig und unökonomisch vorkommen, ist jedoch aus meiner Sicht hinsichtlich der Nachhaltigkeitsaspekte sinnvoll und unvermeidbar. Er muss jedoch für die Bevölkerung Deutschlands gut und verständlich kommuniziert werden. Er sollte nicht zu drastischen, wirtschaftlichen Einschnitten führen, sondern er sollte intelligent, ökonomisch sinnvoll und ökologisch notwendig durchgeführt werden. Wenn das Volk diesen Kurs jedoch nicht versteht und es nicht mit Begeisterung mitgenommen wird, dann führt dieser Kurs erneut zu einer Verständniskrise. Deshalb ist in dieser Angelegenheit mehr Aufklärung nötig hinsichtlich der Klimaveränderung, ohne dabei Panik auszulösen.

Wichtig ist jedoch auch, dass die anderen großen Industrienationen in diesem neuen Ökologiekurs mitmachen und auf diesen Zug aufsteigen.

Wenn es Deutschland gelingt, eine Vorreiterrolle einzunehmen sowohl in der Frage, was die Ökologie-Forderungen anbelangt, als auch in der Frage der industriellen Umstrukturierung und Umsetzung und wenn es also Deutschland und Europa gelingt, die anderen Industrienationen von diesem Ökologiekurs zu überzeugen, dann kann es gelingen, sogar diese drohende Klimakrise zu überwinden und zu überstehen.



Allgemeines zur Konjunktur:
 
Der Konjunkturzyklus verläuft in vier Phasen (Konjunkturschwankungen):

  1. Hochkonjunktur (Boom)
  2. Abschwung (Rezession)
  3. Tiefstand (Depression)
  4. Aufschwung (Expansion)
       
Es gibt bestimmte Konjunkturindikatoren, mit deren Hilfe konjunkturelle Schwankungen erkannt werden können (vgl. Wikipedia, Art. Indikator_(Wirtschaft), Aufruf vom 10.07.2022):

Mengenindikatoren geben über die Mengenentwicklung eines Bezugsobjektes Auskunft.

Beispiele sind:

  • Arbeitslosenzahl
  • Auftragseingänge
  • Industrieproduktion

Preisindikatoren informieren über das Preisniveau bzw. die -entwicklung eines Bezugsobjektes.
 
Beispiele sind:

  • Aktienkurse (Marktwert des Eigenkapitals)
  • Anleihen­kurse
  • Deutscher Rentenindex
  • Immobilien­preise
  • Case-Shiller-Index
  • FHFA House Price Index
  • Immobilienindex
  • Inflations­rate (Wachstumsrate)
  • Lebenshaltungskosten
  • Harmonisierter Verbraucherpreisindex der EU
  • Verbraucherpreisindex für Deutschland
  • Lebensmittelpreise
  • FAO Food Price Index
  • Rohstoff­preise
  • Goldpreis
  • Ölpreis
  • Palladiumpreis
  • Platinpreis
  • Silberpreis
  • Währungs­kurse
  • Euro Currency Index
  • Euro Effective Exchange Rate Index
  • Trade Weighted US Dollar Index
  • U.S. Dollar Index
                                               
Frühindikatoren (auch vorlaufende Indikatoren oder vorauseilende Indikatoren) geben Hinweise auf die zukünftige Entwicklung der Wirtschaftslage.

Beispiele sind:

  • Aktienindex
  • Liste von Aktienindizes
  • Auftragseingänge
  • Baugenehmigungen im Hochbau
  • Book-to-bill Ratio
  • Einkaufsmanagerindex
  • Einkaufsmanagerindex für Deutschland
  • Empire State Index (Region New York)
  • Philly Fed Index (Region Philadelphia)
  • Purchasing Managers Index (US-Einkaufsmanagerindex)
  • Einzelhandelsumsätze
  • Geldmengenwachstum
  • Geschäftsklimaindex
  • Geschäftsklimaindex für Deutschland (ifo)
  • NAHB/Wells Fargo Housing Market Index (Geschäftserwartungen von US-Bauunternehmen)
  • Gewinnerwartungen
  • Investitionsabsichten
  • Konsumklimaindex
  • Consumer Confidence Index (US-Verbrauchervertrauen)
  • Konsumklimaindex für Deutschland (GfK)
  • University of Michigan Consumer Sentiment Index (US-Konsumklimaindex)
  • Lagerbestände
  • Vorratsinvestitionen
  • Logistikindex
  • Baltic Dry Index (weltweite Schifffrachtkosten)
  • Dow Jones Transportation Average (US-Transportunternehmen)
  • Rohstoffindex
  • Continuous Commodity Index
  • Dow Jones-UBS Commodity Index
  • Rogers International Commodity Index
  • S&P GSCI
  • Thomson Reuters/Jefferies CRB Index
  • Zinsindex
  • Zinsspread
                                                                   
Präsenzindikatoren (auch gleichlaufende Indikatoren, Gegenwartsindikatoren oder Istindikatoren genannt) zeigen die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung.

Beispiele sind:

  • Aktuelle Konsumzahlen
  • Bruttoinlandsprodukt – BIP (in einem Monat) bzw. Bruttonationaleinkommen
  • Index der menschlichen Entwicklung (englisch Human Development Index, HDI)
  • Industrieproduktion
  • Kapazitätsauslastung
  • Kurzarbeit
  • Lagerbestände
  • Offene Stellen
  • Preise
  • Sparquote
  • Zinsen
 
Spätindikatoren (auch nachlaufende Indikatoren oder nachhinkende Indikatoren) zeigen an, wie sich die Wirtschaft in der Vergangenheit entwickelt hat.

Beispiele sind:

  • Arbeitslosenquote
  • Beschäftigungslage innerhalb eines Gewerbes
  • Bruttoinlandsprodukt – BIP (eines Jahres) bzw. Bruttonationaleinkommen
  • Inflationsrate
  • Insolvenzen
  • Lohnentwicklung
  • Preisniveauentwicklung
  • Steuereinnahmen des Staates
  • Zinsniveauentwicklung
 
 
Die Phase der Hochkonjunktur (Boom) ist gekennzeichnet durch:

  • hohe Nachfrage nach Gütern
  • steigende Güterpreise
  • steigende Löhne (Lohn-Preis-Spirale)
  • hohes Zinsniveau
  • volle Auslastung der Produktionskapazitäten
  • hohe Nachfrage nach Arbeitskräften, Maschinen und Rohstoffen
           
 
Die Phase der Rezession (Abschwung) ist gekennzeichnet durch:

  • Abschwächung der Hochkonjunktur
  • pessimistische Beurteilung der Wirtschaftslage
  • Rückgang der Nachfrage
  • überfüllte Läger
  • Abbau von Überstunden und beginnende Kurzarbeit
  • fehlende Investitionen
  • teilweise Stilllegung von Produktionsanlagen
  • stagnierende beziehungsweise sinkende Preise, Löhne und Zinsen
               

Die Rezession führt zur Depression (Tiefstand). Die Depression ist gekennzeichnet durch:

  • anhaltenden Rückgang der Nachfrage
  • geringe Gewinnerwartungen der Unternehmer und sinkende Investitionsneigung
  • geringe Produktion
  • vermehrte Auflösung von Betrieben
  • Arbeitslosigkeit
  • niedriges Preis- und Lohnniveau
  • weit verbreiteten Pessimismus
             
 
An die Depression schließt sich die Phase des Aufschwungs (Expansion) an. Diese ist bestimmt durch:

  • optimistische Erwartungen der Nachfrager und Anbieter
  • Steigerung der Nachfrage (verstärkte Auftragseingänge in den Unternehmen)
  • erhöhte Produktion
  • Rückgang der Arbeitslosigkeit
  • wachsende Investitionsbereitschaft der Unternehmer (steigende Nachfrage nach Investitionsgütern)
  • steigende Preise Löhne und Zinsen

Auch der Staat betreibt selbstverständlich Konjunkturpolitik. Ziele der staatlichen Wirtschaftspolitik sind nach dem Stabilitätsgesetz (Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft):

  1. Stabilität des Preisniveaus
  2. hoher Beschäftigungsstand
  3. außenwirtschaftliches Gleichgewicht (Import gleich Export)
  4. stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum
     
Bei diesen quantitativen Zielen der staatlichen Wirtschaftspolitik spricht man auch vom Magischen Viereck. Magisch deshalb, weil nicht alle Ziele gleichzeitig erreicht werden können, d. h., es gibt Zielkonflikte (Vollbeschäftigung und Wirtschaftswachstum sind zum Beispiel oft mit Preissteigerungen verbunden).

Sonstige (qualitative) Ziele der Wirtschaftspolitik sind:

  • gerechtere Einkommens- und Vermögensverteilung (soziales Ziel).
  • Erhaltung einer lebenswerten Umwelt durch Umweltschutz (ökologisches Ziel).
   
Innerhalb der Geschichte der Menschheit bzw. der Ökonomie sind immer wieder Krisen feststellbar, die zu Rezessionen geführt haben.

Beispiele:

  • Tulpenkrise (1637)
  • Hamburger Handelskrise (1799)
  • Erste Weltwirtschaftskrise (1857)
  • Gründerkrach (1873)
  • Zweite Weltwirtschaftskrise (1929)
  • Ölkrise (1970er Jahre)
  • Asienkrise (1997)
  • Dotcom-Blase (2000)
  • Finanz- und Wirtschaftskrise (ab 2007)
  • Flüchtlingskrise (ab 2013)
  • Corona-Krise (ab 2020)
  • Ukraine-Krise (ab 2022)
                     
Diese Krisen korrelieren mit einer Wirtschaftskrise, auf die staatlicherseits bzw. seitens der Behörden und seitens der Notenbanken (wie z. B. EZB oder FED = US-Notenbank) reagiert wurde und auf die immer wieder reagiert wird.

Von einer Konjunkturkrise ist die Börsenkrise (Börsenkrach, engl. crash) zu unterscheiden:

Ein Crash (Kurseinbruch) ist der spektakuläre Zusammenbruch des Börsenhandels insbesondere am Kassamarkt, der mit massiven Verlusten der Anleger und Spekulanten einhergeht. Das Kursniveau stürzt unerwartet ab und führt zu Panik bei den Marktteilnehmern.

Die Börse und damit der Aktien- bzw. Wertpapierhandel ist zwar einerseits ein wichtiger Konjunkturindikator, andererseits ist die Börse lediglich nur ein bestimmter Teil der Ökonomie.

Wir haben also im Laufe der Wirtschaftsgeschichte immer wieder Rezessionen erlebt, die unterschiedlich bewertet wurden und die verschiedene Dinge ausgelöst haben.

Vgl. dazu meinen Blogartikel „Die Innovationen im Bankensystem als Ursache für Wirtschaftskrisen“ (Link, hier).
 
Im groben gesagt gibt es nun zwei Lager, die glauben, die wirtschaftliche Entwicklung und die Konjunktur voraussagen zu können:

Die eine Gruppe ist eher pessimistisch, was die Zukunft anbelangt.

Die andere Gruppe sagt realistischerweise und vorsichtig, man könne nur schwer voraussagen, ob es zu einer gefährlichen Wirtschaftssituation in Deutschland bzw. weltweit kommen wird.

Dass nach den sog. „fetten Jahren“ der Hochkonjunktur immer wieder eine kurze Zeit der Rezession erfolgt, dürfte verständlich sein.

Natürlich sollten die gegenwärtigen Krisen nicht beschönigt werden. Es besteht eine reale Gefahr hinsichtlich des Russland-Ukraine-Krieges.

Es muss jedoch auch realistischerseits erkannt werden, dass beide Seiten - sowohl Russland als auch der Westen - ein berechtigtes Interesse an einer guten Zukunft haben.

Rainer Langlitz


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