Ich glaube an Gott...

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Ich glaube an Gott...

Rainer Langlitz
Veröffentlicht von Rainer Langlitz in Theologoumena · Montag 14 Sep 2020

Ich glaube an Gott... - Ein Versuch der Rede von der Bedeutung Gottes, der Welt und des Menschen

- Was bedeutet die Rede von Gott? -


Es geht um...

...die Frage, inwieweit es notwendig ist, sich für oder gegen den Glauben an Gott zu entscheiden.

...einen weiteren Beitrag, Gott zu postulieren in einer Rede von Gott und Welt als Subjekt bzw. als Objekt.

...ein Plädoyer für mehr Toleranz unter Gläubigen und Skeptikern.

 

 
Einleitung:

Credo in Deum...

Credo in Deum Patrem omnipotentem,
Creatorem caeli et terrae.

Soweit gehe ich mit...!


Was ist mit dem Rest des Apostolicums?

Von der Nichtexistenz Gottes zu sprechen – das betet uns der Atheismus tagtäglich – stündlich vor.

Es geht durchaus darum, die Kritik des Atheismus ernst zu nehmen.

Trotzdem geht es mir aber vielmehr darum, wie es möglich sein kann, Gott zu denken.

Im folgenden Hauptteil dieses Beitrags soll der Versuch unternommen werden, Gott als notwendiges Objekt oder als Subjekt als Ergänzung zur Welt zu denken.

Im Fazit schließlich geht es um Überlegungen zu Gedanken des Agnostizismus, um ein Plädoyer für mehr Toleranz unter Gläubigen und Skeptikern und schließlich um einen Aufruf zur Verbesserung der Situation in der Welt hin zu mehr Liebe.
 


 
Hauptteil:

 
Es gab Zeiten der unterschiedlichsten Zugangsweisen zur Welt und zu dem, was die drei großen Religionen „Gott“ nennen:
 

a) die biblische Vorstellung von der Welt („die Sterne sind an einer Kuppel über dem Boden angebracht“)
 

b) die kopernikanische Wende
 

Zitat aus Wikipedia, Art. Kopernikanische Wende, Aufruf vom 14.09.2020:
 

„Kopernikus und seine Nachfolger mussten mit einer ganzen Reihe althergebrachter Lehrsätze brechen. Teilweise konnten sie sich dabei auf Autoritäten der Philosophiegeschichte berufen. Als Beispiele lassen sich anführen:

  • Die Erde, nun einer unter mehreren Planeten, kann nicht mehr als Zentrum des Weltalls angesehen werden. Damit wird das universelle Orientierungsschema oben (Himmel) gegenüber unten (Hölle) ungültig.

  • Als Folge ist auch die aristotelische Einteilung der Bewegungen in natürliche (radial vom oder zum Mittelpunkt, oder ewig gleichförmig im Kreis um ihn herum) und unnatürliche (schiefer Wurf etc.) unbegründet.

  • Die Erde kann nicht mehr als ruhend angesehen werden. Als ruhend ist nun der Fixsternhimmel zu betrachten. Nach alter Lehre sollte er sich mit einer Umdrehung pro Sterntag am schnellsten von allem drehen und die Planeten, die Sonne und den Mond mit (im Mittel) jeweils abnehmender Geschwindigkeit antreiben.

  • Die Drehung der äußersten Himmelssphäre kann daher nicht mehr als Ausgangspunkt jeglicher Bewegung überhaupt (und damit auch aller irdischen Veränderungen) angesehen werden.

  • Die Himmelserscheinungen oberhalb des Mondes sind nicht ewig unveränderlich, Veränderungen aller  Art sind nicht auf den erdnahen Bereich (die sublunare Sphäre) beschränkt.

  • Die Fixsterne sind viel weiter von der Sonne entfernt als selbst der äußerste Planet. Sonst müssten sie aufgrund der Bewegung der Erde eine Sternparallaxe zeigen. Dazwischen muss leerer Raum existieren, im Gegensatz zu der herrschenden Vorstellung, leerer Raum sei unmöglich und Bewegung könne nur durch Berührung übertragen werden.

  • Ruhe und Bewegung verlieren ihren absoluten Sinn. Das Relativitätsprinzip der klassischen Mechanik wird vorbereitet.

  • Kopernikus verwendet noch die Argumente der göttlichen Ordnung und der Sphärenharmonie, setzt sich aber von der syllogistischen Beweisführung der Scholastik ab, indem er das Einfache, leicht Verständliche für das Wahre hält. Damit, und weil er sich auch zum Teil auf neue Beobachtungen stützt, wird er ein Wegbereiter für die folgende Entwicklung der empirischen Wissenschaften.“

Zitat Ende.
 

Auch das Gottesbild wandelt sich im Laufe der Kulturgeschichte des Menschen:
 

So gab es abwechselnd bzw. vermischt monotheistische, deistische, agnostizistische, polytheistische, henotheistische sowie atheistische Weisen, an die Frage nach Gott (bzw. den Göttern) heranzugehen.
 

Goethe, Kant, Dostojewski - um nur drei der großen Denker der Menschheitsgeschichte zu nennen - aber auch Einstein, Freud und wie sie alle heißen - setzen sich in ihrer Wirk- und Lebenszeit mit dem, was die drei monotheistischen Religionen inkl. des Deismus, Atheismus und Agnostizismus „Gott“ nennen, kritisch auseinander. Nicht etwa die biblische Exegese ist Inhalt deren Denkens, sondern vielmehr die Frage nach „Gott“ im philosophisch-literarischen Sinne in einem Gesamtblick: nicht einzelne Perikopen werden exegetisiert, sondern ein Gesamtblick wird auf Gott gerichtet, gelenkt, geworfen.
 

Wir unterscheiden bei den drei großen monotheistischen Religionen die Hebräische Bibel sowie in deren Weiterentwicklung auch das Neue Testament und schließlich den Koran.

 
Dass wir der Zielfrage, nämlich der Frage nach Gott, uns nicht in einer Antwort nähern können, solange wir auf der Ebene der Bibel bleiben, ist mir deutlich geworden bei einer Diskussion innerhalb einer Facebook-Gruppe über die Stellen Lev. 20, 10.13 sowie über Lk. 1, 34. In der Tat kann die Bibel als "Buch mit sieben Siegeln" verstanden werden in dem Sinne, dass es unmöglich erscheint, von einer "Theologie der Bibel" bzw. von einer in sich klaren und eindeutigen Rede von Gott sprechen zu können.

Wenn wir an heutige Probleme denken und die Bibel fragen wollen, welche Antwort(en) sie auf jene Probleme - welcher Art auch immer - geben würde, dann stellen wir fest, dass wir bei dem Versuch der Beantwortung jener Probleme oftmals folgendes vermischen:

a) die Ebene der Bibel selbst:
Hier wäre eine unvoreingenommene, voraussetzungslose Haltung gegenüber dem biblischen Text vonnöten im Sinne der historisch-kritischen Methode, damit wir versuchen, herauszufinden, was eigentlich genau der Schreiber der einzelnen Textstelle sagen wollte. Wir müssen also dem biblischen Text zunächst gerecht werden und ihm sein Recht zukommen lassen. Lediglich jedoch Bibelstellen zu zitieren, macht es notwendig, dass wir bereits verstanden haben müssen, was die Bibelstelle im Kontext bedeutet. Dem werden wir ohnehin oftmals schon nicht gerecht.

b) die Rezeptionsgeschichte der Bibel:
Hier ist kritisch zu hinterfragen, von welcher Hermeneutik (Verständnisweise) die Rezeption der einzelnen biblischen Stellen im Verlauf geprägt ist: wie wurde der entsprechende Text im Verlauf der Kirchen- und Kulturgeschichte verstanden?

c) die von der Bibel unabhängige Kulturentwicklung:
Hier gibt es eine deutliche Weiterentwicklung im Vergleich zur Welt der Bibel hinsichtlich Technik, Wissenschaft, Politik, Medizin etc.

d) die Bibel als Reflektion der damaligen Sichtweise:
Die Texte sind in einem historischen Kontext entstanden. Sie reflektieren u. a. damalige Zustände und sind nicht zwingend zeitlos gedacht. Sie sind oft auf die "Gemeinde" bezogen bzw. auf eine bestimmte gesellschaftliche Schicht und keineswegs immer auf die gesamte Menschheit.

e) eine mögliche Sichtweise Gottes:
Die Bibel versteht sich zwar als Wort Gottes. Wissen wir aber wirklich und wahrhaftig, dass Gott dieses Wort gesprochen hat? Ist die Bibel eine Offenbarung Gottes, so dass sie wörtlich zu verstehen ist im Sinne des Fundamentalismus?


Hier werden also diese Ebenen gerne und oft miteinander vermischt, so dass oftmals eine klare Argumentation nicht möglich ist.


Folge dieser Unklarheit sind oftmals Streiterei, Rechthaberei und Konflikte bis hin zu Mord, Krieg und Totschlag.


Unter diesem Aspekt sehe ich auch jene Diskussion im Rahmen jener Facebook-Gruppe und meine innerhalb dieser Diskussion gestellte Frage:


Welche theologische Bedeutung hat Lev. 20, 10.13 bzw. ist bei Lk. 1, 34 ein Hinweis der Homosexualität Marias zu erkennen?


Die Diskussion bzgl. Lk. 1, 34 hat gezeigt, dass wir - selbst wenn wir auf der Ebene der Bibel bleiben - zu keiner Lösung gefunden haben - und erstrecht nicht bzgl. der Frage nach der theologischen Bedeutung von Lev. 20, 10.13.


Bleibt es dann nicht vielmehr mit Paulus und 1. Kor. 13, 9-12 bei einer metaphysischen Spekulation über Gott?

 
Wollen wir uns nun damit zufrieden zeigen?

 
Reicht uns der Ausspruch, Gott sei und bleibe ein immerwährendes Mysterium, ein Geheimnis, ein Rätsel, das wir irgendwann einmal verstehen werden?

 
Der großartige und wichtige Philosoph, Immanuel Kant (1724 - 1804), war der festen Überzeugung, dass es vernünftig sei, Gott aus moralischen Gründen zu postulieren.




Schauen wir uns nun folgende drei Gedankengänge in Abfolge an, um einem weiteren Postulat Gottes, also einem intuitiven Gefühl, dass Gott anzunehmen / zu glauben sei, näher zu kommen:


Gott ist dabei das Objekt - also der, dem wir etwas entgegen werfen im Sinne eines Gegenübers im Gegensatz zum Subjekt, das sich dem Objekt unterwirft. Mit anderen Worten: Subjekt und Objekt stehen in einem direkten Zusammenhang.


 
1.) Wir brauchen die Welt und unseren Geist, um uns als Subjekt bzw. als Objekt wahrzunehmen.
 
Wir sind in der Lage, uns Objekte vorzustellen und zu beobachten. Eine bloße Aussage im Sinne von „ich bin“ macht noch nicht übermäßig viel Sinn. Vielmehr müssten wir weiterfragen, was ich bin oder woher ich weiß, dass ich bin. Hier geht es um das Subjekt im Geist, der mir sagt, dass ich bin in einer Welt, in der ich bin als Objekt - in einer Welt, die ich wiederum wahrnehmen kann und von der ich wahrgenommen / erkannt werden muss im Sinne des Subjektes, das sich dem Vorgang des Erkennens unterwirft. Erst dadurch gehe ich davon aus, dass ich existiere.

Die Welt dient dem Subjekt als Objekt der Erkenntnis, während sich das Ich der Welt unterwirft, um von den Objekten der Welt erkannt zu werden.


Beispielsätze zu 1.):

1.) Ich erkenne etwas in der Welt.
2.) Ich werde durch die Objekte der Welt erkannt.
3.) Ich brauche die Welt, um durch die Objekte der Welt erkannt zu werden.
4.) Ich brauche die Welt, damit ich erkenne, dass ich existiere.

2.) Gott und Welt im Subjekt – Objekt - Verhältnis.
 
Wir könnten sagen: Es gibt (nicht) die Welt. Auf den ersten Blick würden wir sagen: „Moment: die Welt ist ein Objekt. Also gibt es sie.“ Auf der anderen Seite ist die Welt „alles“. Ist dann die Welt Subjekt oder Objekt? Ist die Welt Subjekt? Das würden wir verneinen, denn die Welt unterwirft sich nicht uns als ihrem Objekt. Vielmehr verhält sie sich unvorherbestimmbar. Stattdessen ist es so, dass wir als Subjekte die Welt als Objekt wahrnehmen. Wenn die Welt aber alles ist, was es gibt (= was vorzufinden ist), dann gibt es keine Differenzierung in Bezug auf die Welt zwischen Gegenstand, Tatsache und Erfahrung. Können wir dann überhaupt subjektiv die Welt als Objekt wahrnehmen, denn wir sind nicht in der Lage "Alles" wahrnehmen zu können, sondern nur einzelne Gegenstände, Tatsachen bzw. Erfahrungen? Wenn die Welt aber weder Subjekt noch Objekt ist, was ist sie dann? Muss es dann etwas über dieser Welt hinaus geben, das die Welt zu ihrem Objekt macht, das wir „Gott“ nennen könnten? Ist die Welt das Objekt Gottes, das sich Gott zu unterwerfen hat und wirft sich die Welt als Objekt Gott entgegen oder unterwirft sich gar Gott (als Subjekt) der Welt? Vielmehr ist auch zu fragen, wer das Subjekt dieses Objektes ist, das wir als Welt mit ihren Naturgesetzen, Tatsachen und Erfahrungen wahrnehmen?


Beispielsätze zu 2.):

1.) Die Welt gibt es nicht, ohne dass es Gott gibt.
2.) Gott gibt es nicht, ohne dass es die Welt gibt.
3.) Gott hat die Welt notwendigerweise erschaffen.
4.) Gott und Welt stehen im Subjekt-Objekt-Verhältnis.
5.) Gott ist das Objekt der Welt. (Wir betrachten Gott. - Wir werfen uns ihm entgegen. - Wir denken über Gott nach.)
6.) Gott ist das Subjekt der Welt. (Gott hat diese Welt erschaffen. - Gott unterwirft sich dieser Welt. - Gott leidet mit der Welt.)
7.) Wenn es die Welt nicht gibt, dann gibt es Gott nicht.
8.) Gibt es die Welt, dann gibt es auch Gott.


Vgl. dazu Prof. Dr. Gabriel, Warum es die Welt nicht gibt:



Zu Prof. Dr. Markus Gabriel vgl. Wikipedia unter folgendem Link:



3.) Gottes Existenz vs. Gottes Nichtexistenz.
 
Ist Gott „Alles“ oder „Nichts“ im Sinne einer Nichtexistenz? Wenn er das „Alles“ ist“, dann muss es als Objekt möglicherweise das "Nichts" geben. Gibt es das Nichts? Das würden wir eher verneinen, denn was soll das Nichts sein? Wenn Gott aber das „Nichts“ ist im Sinne einer Nichtexistenz, dann sind wir das Subjekt, das so denkt, dem jedoch das entsprechende Objekt im Sinne der Nicht-Existenz fehlt (nota bene: wir sind Teil dieser Welt und damit Teil von "Alles" - wir nehmen unsere eigene Existenz ausschließlich mit Hilfe unseres Geistes in Zusammenhang mit der Welt als "Alles" wahr), denn wir fragten gerade, was das Objekt als Nichts sein könnte, wenn wir bereits mit der Welt das "Alles" darstellen? Kann aber Gott „Alles und Nichts“ in einem sein? Dann wäre das „Alles und Nichts“ in einem entweder Objekt oder Subjekt. Bereits hier kommen wir in beiden Fällen – also egal, ob wir „Alles oder Nichts“ als Objekt oder Subjekt denken – dazu zu sagen, dass es ein Gegenüber von Gott geben müsse im Vergleich zur Welt und umgekehrt.


Beispielsätze zu 3.):

1.) Gott kann nicht das Nichts sein.
2.) Gott ist zu postulieren.
3.) Gott ist komplementär zur Welt in einer ergänzenden Identität von "alles und nichts".



Wir wollen nun versuchen, obige drei Gedankengänge etwas einfacher darzustellen.

Es geht um Folgendes:

Frage zu Gedankengang 1: Woran und wie erkenne ich, dass ich bin, dass ich existiere?

Antwort zu Gedankengang 1: Durch meinen Geist und durch die Objekte der Welt um mich herum, mit deren Hilfe ich gespiegelt werde, denn könnten wir erkennen unter der Annahme, dass nur wir allein existierten und um uns herum sei das Nichts, dass wir existieren? Hier wäre die Antwort "nein" zu erwarten, d. h. wir brauchen die Objekte der Welt um uns herum, um zu erkennen, dass ich (wir) existiere(n).

Frage zu Gedankengang 2: Wozu und warum gibt es die Welt? Ist die Welt ein Produkt ihrer selbst? Ist die Welt ein Selbstzweck in sich? Was ist die Kausalität des Urknalls? Woran ist in Analogie zur obigen Frage die Existenz der Welt oder gar die Existenz Gottes zu erkennen? Wozu braucht die Welt ein Objekt? Wozu gab und gibt es die Evolution? Wozu gab es die Schöpfung (Gottes)? Kann Gott alleine sein?

Antwort zu Gedankengang 2: Die Welt und Gott stehen im Subjekt-Objekt-Verhältnis zueinander: die Welt ist das Objekt Gottes, das Gott braucht, um sich als existent zu wissen, um sich mit der Welt zu spiegeln; Gott ist das Subjekt der Welt, das sich der Welt unterwirft. Die Welt ist insofern notwendiges Werk und Schaffen Gottes, um sich selbst zu erkennen.

Schlussfolgerung:

Das legt den Schluss nahe, dass Gott existiert.

Begründung der Schlussfolgerung:

Es macht keinen Sinn, die Welt in sich als eigenes Subjekt oder als eigenes Objekt zu denken im Sinne, dass die Welt keine (!) Bedeutung habe. Die Welt braucht ein Gegenüber, ein Objekt, eine Bedeutung, einen Sinn: ein Woher und ein Wohin. Der Mensch ist nicht (!) das Gegenüber der Welt, sondern Gott, weil der Mensch bereits Teil der Welt ist.




Fazit:

Es geht darum, Gott zu verstehen als notwendiges Subjekt bzw. Objekt in einer Ergänzung zur Welt in einer Identität (bzw. als Ergänzung) als Einheit wie eine Medaille, die aus zwei Seiten besteht, die ein Ganzes ergeben.


Vgl. dazu Schelling und seine Identitätsphilosophie in Wikipedia, Art. Identitätsphilosophie.


Vgl. dazu auch folgenden Link:



 

Dass dies kein zwingender Beweis der Existenz Gottes sein kann, sollte klar sein.

 

Es geht darum, die Kritik des Atheismus ernst zu nehmen.

 

Wird es jemals zu einer angemessenen Sichtweise der Welt kommen oder bleibt es – wie Paulus es nennt – bei einem Wissen, das lediglich Stückwerk ist? Sind wir überhaupt in der Lage, die Dinge angemessen zu erkennen angsichts von epochaler Wissenschaftlichkeit?


So schreibt Paulus in 1. Kor. 13 in den Versen 9 - 12:


"9 Denn unser Wissen ist Stückwerk und unser prophetisches Reden ist Stückwerk. 10 Wenn aber kommen wird das Vollkommene, so wird das Stückwerk aufhören. 11 Als ich ein Kind war, da redete ich wie ein Kind und dachte wie ein Kind und war klug wie ein Kind; als ich aber ein Mann wurde, tat ich ab, was kindlich war. 12 Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, gleichwie ich erkannt bin."



In 1. Kor. 13, 1-13 geht es insofern um zweierlei:


In den Versen 9 - 12 wird für eine agnostische Sichtweise geworben.


Wäre dabei dann der Agnostizismus eine Option?


Dabei will der Agnostizismus wiederum zweierlei zum Ausdruck bringen:


1.) Es gibt kein gefestigtes Wissen über Gott.
2.) Infolgedessen können wir uns nicht entscheiden, ob es Gott gibt oder ob es ihn nicht gibt.


Trotzdem wäre der Agnostizismus dann und demnach ein erster wichtiger und notwendiger Schritt der Erkenntnis und der Verbesserung der Situation in der Welt.



Joseph Ratzinger (sc. Benedikt XVI.) äußert sich in einem Aufsatz zum Thema "Agnostizismus - eine lebbare Option?" zu dieser Problematik auf folgende Weise:


Zitat:

"Wie dem auch sei – der Glanz der agnostischen Lösung hält ganz offenkundig näherer Prüfung nicht stand. Als reine Theorie erscheint er [sc. der Agnostizismus] höchst einleuchtend, aber Agnostizismus ist seinem Wesen nach mehr als Theorie – die Praxis des Lebens steht dabei zur Frage. Und wo man ihn in dieser seiner wahren Reichweite zu ,,praktizieren“ versucht, entgleitet er wie eine Seifenblase; er löst sich auf, weil der Wahl nicht zu entrinnen ist, die er gerade vermeiden möchte. Vor der Frage nach Gott ist dem Menschen Neutralität nicht eingeräumt. Er kann nur ja oder nein sagen und dies jeweils mit allen Konsequenzen bis in die kleinsten Dinge des Lebens hinein."

Zitat Ende.


Wir können, dürfen und müssen den einzelnen Menschen nicht dazu zwingen, an Gott zu glauben.


Die Frage ist berechtigt:


Wie wird es weiter gehen in der Welt?


Wie wird es weiter gehen mit Rechthaberei, Machtansprüchen, Ideologien und Indoktrinationen?


Aber - nebenbei gesagt - darf auch nicht die politische, wirtschaftliche und ökologische Sicht der Welt aus den Augen verloren werden.


Haben die Kirche(n) bzw. die Religion(en) nicht immer wieder trotz ihrer Skandale und trotz ihrer „Kriminalgeschichte“ dafür gesorgt, dass das Erinnern an Gott und die Bewahrung von Kultur und die Einhaltung einer Ethik im Vordergrund zu stehen haben? Dass es dabei zu Doppelmoral kommt und gekommen ist, ist zu bedauern und darf bzw. sollte geändert werden.


Es bleibt zu beobachten und abzuwarten, wie sich die Religionen und der Atheismus in einer Koexistenz zueinander verhalten werden.


Für den eigenen Standpunkt zu werben, scheint einer der Ansätze einer komparativen Theologie zu sein, und zwar nicht im missionarischen Sinne mit Zwang und Totschlag, sondern eben friedlich und in einer Koexistenz: tolerant (u. a. wie in der Ringparabel in Lessings "Nathan der Weise") und nicht wie eine exklusive Theologie, die andere Menschen, die nicht glauben ("können" bzw. nicht glauben wollen), auszuschließen versucht.


Unter Toleranz verstehe ich u. a. eine andere Meinung stehen lassen zu können, obwohl ich anderer Meinung bin.


Diese Toleranz ist von Gläubigen (Deisten, Theisten etc.) und Skeptikern (Atheisten, Agnostiker etc.) gleichermaßen in liebevollen Taten (respektvolles Handeln und Eintreten für gegenseitige Gleichberechtigung mit Hilfe sozial kompetenen Verhaltens) zu erbringen.


Insofern geht es in 1. Kor. 13, 1 - 8 ("Das Hohelied der Liebe") um eine beispielhafte Abwägung zwischen Glauben, Hoffnung und Liebe und eine Beschreibung der Liebe:


"1 Wenn ich mit Menschen- und mit Engelzungen redete und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. 2 Und wenn ich prophetisch reden könnte und wüsste alle Geheimnisse und alle Erkenntnis und hätte allen Glauben, sodass ich Berge versetzen könnte, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich nichts. 3 Und wenn ich alle meine Habe den Armen gäbe und meinen Leib dahingäbe, mich zu rühmen, und hätte der Liebe nicht, so wäre mir's nichts nütze. 4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, 5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. 8 Die Liebe höret nimmer auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird.4 Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, 5 sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu, 6 sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sie freut sich aber an der Wahrheit; 7 sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie duldet alles. 8 Die Liebe höret nimmer auf, wo doch das prophetische Reden aufhören wird und das Zungenreden aufhören wird und die Erkenntnis aufhören wird."


Die Liebe sei gemäß Vers 1 - 8 wichtiger als Hoffnung und Glaube.


Paulus schließt mit jenen berühmten Worten in Vers 13:


"Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; aber die Liebe ist die größte unter ihnen."


Was bleibt uns Anderes übrig als einander zu akzeptieren, einander zu tolerieren – ja - fast hätte ich gesagt, einander zu lieben in gegenseitiger Achtung, in gegenseitigem Respekt und in einer kommunikativen und sozial kompetenten Weise?


Die Liebe ist bunt, vielseitig, plural, tolerant und freiwillig.


Erich Fried: Was es ist

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe



Zur Verbesserung der Welt gehört sicherlich, dort, wo die Welt in eine Schieflage geraten ist, diplomatisch, entschieden, diakonisch, human, kommunikativ und caritativ zu intervenieren.


Dazu sind wir alle berufen: zu sehen, wo wir in unserem Umfeld etwas verbessern können im Sinne von Lk. 10, 25 – 37.



Vgl. dazu auch 1. Joh. 4, 7 - 21 ("Die Vollendung des Glaubens in der Liebe").


Der Traum und die Vorstellung eines Dr. Martin Luther King, die Vorstellung einer Omega-Theorie eines Teilhard de Chardin oder die Vorstellung eines Weltethos eines Hans Küng – werden wir sie realisieren können? Wird sie so einmal kommen - die Liebe?


An Gott zu glauben, bedeutet in der Welt zu sein als glaubender, hoffender und vor allem als liebender Mensch.


credo in deum sed non in ecclesiam - ich glaube an Gott aber nicht an die Kirche


extra ecclesiam nulla salus - eine "Niederlage für die Menschheit". Dieser Satz ist letztlich eine Sünde gegenüber Gott und allen Menschen guten Willens!


Rainer Langlitz


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